Die herrschende Doppelmoral
An der Wende zum 20. Jahrhundert waren es vor allem zwei avantgardistische Dramatiker und Erzähler, die als erfahrene Ärzte zwischen Melancholie und Hoffnung schwankend, ironische und satirische Texte verfassten: Arthur Schnitzler und Anton Tschechow.
Schnitzlers Novelle Lieutenant Gustl (1900) ist darauf angelegt, die herrschende Duellpraxis als Inbegriff der Doppelmoral und menschlicher Schwäche zu entlarven. Schnitzler arbeitete als Assistenzarzt – wie schon einige Jahre vor ihm Freud – am Wiener Allgemeinen Krankenhaus in der Neuroanatomie und Psychiatrie.
In der Novelle Fräulein Else (1924) schilderte er den traurigen Monolog der 19-jährigen Protagonistin. Dieser innere Monolog war in zweifacher Hinsicht neu: Zum einen konnte man erstmals unmittelbar an Gedanken und Grübeleien teilnehmen, die in dieser Form kaum spontan ausgesprochen würden. Zum andern wurden freisinnige weibliche Vorstellungen preisgegeben, die eine Grundregel der herrschenden Doppelmoral verletzten: Man erfuhr etwas, „worüber man nicht spricht“, beispielsweise eine exhibitionistische Neigung der jungen Frau.
s. auch Blog Literatur ist Widerstand
Ein Kommentar zu „Arthur Schnitzler: Arzt und Dichter“