Pionier der Psychosomatik

Viktor von Weizsäcker

Weizsäcker
Viktor von Weizsäcker, Neurologe und Internist

vgl. https://www.researchgate.net/project/Pioniers-of-psychosomatic-medicine-and-modern-results-of-integration

An den Schnittpunkten der Lebensgeschichten mit der Geschichte ergänzen sich die biographischen Methoden der Human- und Geisteswissenschaften.

In der psychosomatischen Anamnese zeigt der subjektive biographische Kalender fortlaufend auf, ob ein Leben „gelebt oder ungelebt“ sei, wie Viktor von Weizsäcker (1886–1957) es formulierte, der Begründer der modernen Psychosomatik und anthropologischen Medizin. Seine Theorie der Einheit von Wahrnehmung und Bewegung ist von dem Grundsatz geleitet:
Wer Lebendes erforschen will, muss sich am Leben beteiligen.
Die Heidelberger Schule mit dem von der Psychoanalyse beeinflussten Theoriemodell der anthropologischen Medizin, in deren Verständnis der Mensch nicht als Objekt, sondern als Subjekt im Innen-Außen-Verhältnis von Ich und Umwelt betrachtet wird, wandte sich ab von den rein beobachtenden Verfahren der Physiologie und der deskriptiven Psychopathologie zugunsten einer auf Empathie beruhenden Dialogik der biographischen Medizin; denn der diagnostische Blick durch ein Schlüsselloch, gerichtet auf Menschen, die dadurch zu passiv Kranken, zu Patientinnen und Patienten werden, kann einen Dialog nicht ersetzen. Im partnerschaftlichen Gespräch ist zu erfahren, was der behutsame narrative Zugang an wesentlichen Daten der Lebensgeschichte (oral history) aus der Erinnerung (Anamnese) ergibt, um auch zunächst „unerklärliche“ Begleitumstände und Folgeerscheinungen einer Krankheit oder Karriere, einer persönlichen Begegnung oder Trennung, gemeinsam mit dem psychosomatisch Kranken analysieren zu können.

Die entscheidende Frage lautet: Warum gerade jetzt? Warum tritt ein Herz- oder Asthmaanfall in einer bestimmten biographischen Situation, an einem besonderen Jahrestag auf? Gelegentlich wird eine biographische Krise wie in einer Erstarrung durchlebt und verleugnet; ein Leben scheint „ungelebt“ und – wie es eine Dramenfigur Anton Tschechows (1860–1904) sagte – „vertan“ zu sein.

vgl. aktuelle Gesundheitsthemen

Der Arzt und Dramatiker Friedrich Wolf

Zur Lehnitzer Lesung: Der Psychiater und Dramatiker Friedrich Wolf, geb. am 23.12.1888 in Neuwied, studierte Medizin, Philosophie und Kunstgeschichte, verfasste eine Dissertation über Multiple Sklerose im Kindesalter (1913) und war als Assistenzarzt an der Psychiatrischen Universitätsklinik Bonn tätig.

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Nach der Kriegstrauung mit der Heilgymnastin Käthe Gumpold verdingte er sich im I. Weltkrieg wie Gottfried Benn zunächst als Schiffsarzt, dann als Sanitätsoffizier. An der Front schrieb er erste Erzählungen. Nach der Scheidung von Käte Wolf gründete er mit der Erzieherin Else Dreibholz eine Familie. Aus dieser im Jahr 1922 geschlossenen Ehe gingen zwei Söhne hervor, Markus und Konrad, die – wie zuvor schon ihr Vater – zu höheren Funktionsträgern in der DDR der 1950–1980er Jahre werden sollten. Markus Wolf (1923–2006) war Leiter des Auslandsgeheimdienstes der DDR, Konrad Wolf (1925–1982) Filmregisseur und Präsident der Akademie der Künste. 

Wolfs größter Bucherfolg war Die Natur als Arzt und Helfer (1928). Ein Jahr später fand in Berlin die Uraufführung des Stücks Cyankali statt, mit dem Wolf gegen den Abtreibungsparagraphen kämpfte. 1932 wurde er verhaftet. Zwei Wochen später wurde er nach einer öffentlichen Protestaktion freigelassen. 1933 entkam er vor drohender Verhaftung nach Österreich, reiste dann nach Zürich, wo die deutschsprachige Erstaufführung des Professor Mamlock (1935) seinen Welterfolg begründete, und anschließend nach Paris. 1939 wurde er von den französischen Behörden interniert, 1940 erging das Aufführungsverbot gegen den russischen Film Professor Mamlock.

Ein Chronist schrieb später über ihn, er sei ein dreifaches NS-Opfer gewesen, „Jude, Kommunist, revolutionärer Stückeschreiber“.

1941 erwarb er im Moskauer Exil die sowjetische Staatsbürgerschaft. 1949 wurde er zum Professor an der Pädagogischen Hochschule Potsdam und 1950 zum Botschafter in Polen ernannt. Damals erhielt er den DDR-Nationalpreis. Am 5.10.1953 starb er im Alter von 64 Jahren an einem Herzinfarkt.

Deutsches Ärtzeblatt (2006):

https://www.aerzteblatt.de/archiv/53170/Friedrich-Wolf-Revolutionaer-im-Einfamilienhaus

Deutsches Ärtzeblatt (2018)

https://www.aerzteblatt.de/pdf.asp?id=203918

Herta Nathorff, Ärztin und Dichterin

 

Es verwundert nicht, dass im 19. und selbst noch im 20. Jahrhundert nur wenige Ärztinnen neben ihrem Einsatz für Kranke und der Arbeit für die eigene Familie auch noch literarische Texte verfassten, wie zum Beispiel Harriet Straub (1872–1945), eine der ersten approbierten Medizinerinnen, die sich zudem in der Frauenbewegung engagierten,

wie auch Hertha Nathorff (1895–1993), Charlotte Wolff (1897–1986) und Nawal El Saadawi (*1931).

Hertha Nathorff, geborene Einstein, Ärztin, Psychotherapeutin und Schriftstellerin, war Mitbegründerin der ersten Ehe- und Sexualberatungsstelle in Berlin-Charlottenburg. Nach Berufsverbot (1933) und Approbationsentzug (1938) emigrierte sie über London in die USA (1939). Ihr Kommentar im Tagebuch:

Sie haben meine Seele verbrannt, mein Leben zerstört, meine Jugend, meinen Frohsinn, mein ganzes Ich ausgelöscht wie der Sturm ein brennendes Licht, wie das geschah: meine Blätter mögen es erzählen.

Sie betätigte sich in der Frauenbewegung, verfasste Kurzgeschichten, Gedichte und die preisgekrönte Biographie Mein Leben in Deutschland (1940).

Vgl. Planet Wissen:

https://www.planet-wissen.de/geschichte/nationalsozialismus/novemberpogrome/pwiedastagebuchderhertanathorff100.html

Northhoff Hertha Abb

Georg Büchner und Volker Bouffier

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Volker Bouffier

Georg Büchner: „Friede den Hütten, Krieg den Pallästen!“

Gönnerhaft, spröde und „unpolitisch“ geriert sich die hohe Kulturpolitik in Zeiten der Restauration.

Im Jahr 2013 ehrte Volker Bouffier  den Dichter, Mediziner und Privatdozenten  Georg Büchner anlässlich seines 200. Geburtstags mit einer schlichten Äußerung:

„Büchner hat das geistige Leben seiner Zeit und im weiteren Verlauf auch unserer Zeit mitgestaltet.“

Damit hob der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier auf die kulturgeschichtliche Kontinuität der Dichtkunst ab, allerdings ohne sich von einem seiner despotischen Vorgänger zu distanzieren, jenem gnadenlosen Fürsten im Großherzoglich-Hessischen Regierungsamt, der Büchner wegen „Theilnahme an staatsverrätherischen Handlungen“  steckbrieflich suchen ließ.

Im Gegensatz zu Bouffiers amtlicher „Laudatio“ weist ausnahmslos jeder Chronist und Büchnerpreisträger, wie auch soeben die diesjährige Büchnerpreisträgerin Terézia Mora auf den Widerstand des Dramatikers  hin, um auch Büchners politische Vorreiterstellung im „geistigen Leben seiner Zeit“ zu würdigen.

Denn in den beiden Dekaden vor der Revolution von 1848 begann mit Georg Büchner die moderne deutsche Literatur.

Aus dem Bundeskanzleramts verlautete übrigens, Büchners Intelligenz sei bereits dessen Lehrern aufgefallen!  Schulmeisterlich, spröde und „unpolitisch“ geriert sich die hohe Kulturpolitik in Zeiten der Restauration.

VIDEO

Neue Gesundheitsthemen Oktober-November 2018

 

 

https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/Aerzte-in-Baden-Wuerttemberg-Angestellte-Mediziner-klagen-ueber-zu-wenig-Zeit-fuer-Patienten,aerzte-in-bw-klagen-ueber-zu-hohe-arbeitsbelastung-100.html?fbclid=IwAR1UZ1bUfduYpTyYqmjp8ZPshpRWSyMKHu5unLeo9lL-HRA4UPtevlxj2Kw

vgl.

Fraktion Gesundheit in der Berliner Ärztekammer

https://www.facebook.com/search/top/?q=fraktion%20gesundheit

 

https://www.mabuse-verlag.de/Mabuse-Buchversand/Newsletter-Buchversand/NL_BV_AVHeb_Neues-aus-Gesundheitsthemen_26-10-2018/

 

Ankündigung:

Interdisziplinäres Ethikseminar Hamburg-Eppendorf

Winfried Kahlke
Prof. Winfried Kahlke, Hamburg

Heidelberger Seminar vom 9. und 10. November 2018

DIE MEDIZIN IM STREIT DER FAKULTÄTEN

https://viktor-von-weizsaecker-gesellschaft.de/veranstaltungen.php?id=9

Totstellversuche

Menschen wie tot oder untot: Playing dead

Totstellversuche

Am 7. Juli 2017 bot die Hamburger Kunst-Performance 1000 Gestalten einen stummen G-20-Protest von Untoten, die sich in zeitlupenartig verlangsamter Pantomime durch die Stadt bewegten.

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Willem Thomson: 1000 Gestalten.

Film/ Roma
Totstellen im Roma-Film

Das weit verbreitete Phänomen zeigt sich im politischen Kontext, wenn Totstellversuche von großen Gruppen veranstaltet werden: Am Hiroshima-Tag liegen zahlreiche Aktivisten reglos auf der Straße vor dem Lawrence Livermore National Laboratory in Kalifornien, um vor der Gefahr eines nuklearen Kriegs zu warnen. In letzter Zeit lagen Protestgruppen vor dem Weißen Haus und im Hambacher Forst.

Wenn Nero als Sänger auftrat, durfte niemand, auch nicht, wenn er zwingende Gründe hatte, das Theater verlassen. So sollen etliche Frauen während der Vorstellung Kinder geboren haben, und viele Männer, die von Gesang und bestelltem Beifall genug hatten, sprangen, da die Stadttore verriegelt waren, heimlich von der Mauer oder stellten sich tot und ließen sich wie zum Begräbnis hinaustragen. (GERHARD FINK)

Auch ein italienischer Filmklassiker (Don Camillos Rückkehr) enthält eine entsprechende Episode, in der sich ein alter Arzt totstellt. Während sein Nachfolger den Totenschein ausfüllt, genießt er mit unverhohlener Freude, wie sehr die Mitmenschen um ihn trauern.

Ob man es psychodynamisch oder neurobiologisch betrachtet, ein Lebewesen, das sich, aus welchem Grund auch immer, schlafend stellt, kann sich notfalls auch totstellen; denn dies scheint als Teilziel der Evolution manchmal nützlich, oft aber auch überlebenswichtig zu sein, ein mehr oder minder bewusstes Sicherheitsstreben und Trachten nach vollkommener Unauffälligkeit (Ärzte, Dichter und Rebellen S. 134).
Dem Frühmenschen blieb häufig nichts anderes übrig, als sich tot zu stellen, also eine Kleintieren vergleichbare Erstarrungsreaktion zu zeigen ( Christoph Wulf).

Die akute Schreckstarre der Tiere unterscheidet sich allerdings grundsätzlich von einem psychosomatischen Totstellversuch bei Menschen. Dass zum Beispiel eine bestimmte Ziegenart – myotonic goats – ständig vor Schreck umfällt, beruht auf einem Gendefekt. Mit Geduld kann man aber Katzen, Hunden und Elefanten beibringen, sich auf Befehl totzustellen.

Dass ein spektakulärer Totstellversuch vorteilhaft sein kann, brauchen Insekten und Spinnen nicht zu lernen, da der spontan inszenierte Scheinselbstmord seit Urzeiten Schutz vor Fressfeinden bietet. Auch Fledermäuse stellen sich gelegentlich tot. Ein Käfer – claviger testaceus – läßt sich von arglosen Ameisen – als Trojanisches Pferd wie tot – in ihren Bau tragen, um sich dort Eier und Brut einzuverleiben. Der Totstellversuch eines dafür besonders anfälligen Nagetiers, der Beutelratte Possum, hat dem Play Possum den Namen gegeben. Ob es sich um ein Spiel mit dem Tod handelt oder um das im tierischen Dasein ständige Zu-TodeErschreckt-sein, Neurowissenschaftler haben das Erstarren als automatische Reaktion der Amygdala interpretiert.

Über schöne Ahnungslosigkeit

  1. die Qualifikation von Berufspolitikern

Alle reden von einer neuen Bildungskatastrophe, vom Lehrer- und Ärztemangel. Ich denke, man sollte in diesem Zusammenhang niemals auf Lehrer und Schüler, also die Nicht-Politiker, herabblicken und nicht zu den Politikern hinaufblicken. Hochmut, aber auch übermäßige Ehrfurcht, kommt vor dem Fall.

Man denke nur nur an das „Koryphäen-Killer-Syndrom“, das im Weißen Haus grassiert.

Der Abschluss eines Hochschulstudiums qualifiziert noch keinen Politiker zur Besetzung eines Ministeramts, freilich der Abbruch eines Jurastudiums, wie im Fall des Bundeskanzlers Kurz – umso weniger.

Als Chef einer rechtskonservativen Regierung diskreditiert er die Seenotrettung von Flüchtlingen auf dem Mittelmehr und damit auch die Arbeit der Ärzte ohne Grenzen.

Nun verhandelt dieser Nicht-Jurist mit dem deutschen Innenminister Seehofer, der sich als “Erfahrungsjurist“ bezeichnet, über rechtlich komplexe europäische Migrationsfragen.

Seehofers Mittlere Reife reichte für seine Karriere in Verwaltung und Regierung, aber offenbar nicht für die Bewältigung der aktuellen politischen Herausforderungen in einem demokratischen Europa.

Wenn zugleich zwei weitere Kabinettsmitglieder, eine Hotelfachfrau und ein Diplomkaufmann, (die bisher keine Universität von innen sahen), in die Bundesregierung berufen wurden: Bildungs- und Forschungsministerin Karliczek und Gesundheitsminister Spahn, lässt das an auffällige Bildungsdefizite als Ursache früherer Fehlbesetzungen der Bundesministerien (Dr. zu Guttenberg, Dr. von der Leyen, Dr. Schavan) und des Amtes eines Kulturstaatsministers (Prof. Neumann) denken.

Der geborenen Physikerin Dr. Merkel unterliefen als Kanzlerin diese Fehler, als sie Plagiate ihrer Kabinettsmitglieder anfangs ignorierte und alle Minister und Ministerinnen trotz dieser Verfehlungen in Schutz nahm, sogar Bernd Neumann, der Gedichte Erich Frieds gern “verbrannt gesehen“ hätte, ins Bundeskanzleramt berief.

Bernd Neumann

Wer seinen Kabinettsmitgliedern und “Untergebenen“ immer wieder sein uneingeschränktes Vertrauen ausspricht, wie Seehofer und Dr. Merkel, verliert das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger. Wer seine politischen Ziele nur ändert, wenn dazu heftige Anstöße von außen kommen, d.h. ein Atomkraftwerk explodiert oder ein “Migrantenstrom“ in Europa eintrifft, begeht im Innern eine ungeahnte Fülle von Fehlern. So kommt es zur Implosion der Agenda und damit zum Stillstand der Politik.

Da ist die späte Einsicht, dass Vertrauen verloren ging, erfrischend offen und ehrlich, doch die Bitte um Vertrauen in die herrschende Politik ziemlich hilflos, zumal die Ankündigung rückhaltloser Analysen von Wahlniederlagen zu reinen Lippenbekenntnissen degenerieren.

Denis Mukwege

 

Bildergebnis für denis mukwege

Denis Mukwege

Seit der Verleihung des Friedensnobelpreises an den Arzt und Schriftsteller Albert Schweitzer (1952) wurden couragierte Mediziner nur selten damit ausgezeichnet, die Mitglieder der beiden Ärzteorganisationen International Physicians for the Prevention of Nuclear War (1985) und Médecins Sans Frontières (1999), ganz aktuell der Gynäkologe Denis Mukwege (2018).

Denis Mukengere Mukwege (* 1. März 1955 in Bukavu, Belgisch-Kongo) ist ein kongolesischer Gynäkologe, Menschenrechtsaktivist, Gründer und leitender Chirurg des Panzi-Hospitals in Bukavu. Mukwege gilt als weltweit führender Experte für die Behandlung von Verletzungen von Mädchen und Frauen, die durch Gruppenvergewaltigungen sowie durch gezielte physische Unterleibsschändungen verursacht wurden. Mukweges Arbeit konzentriert sich nicht ausschließlich auf die medizinischen Belange. Er engagiert sich ebenso politisch, indem er die Grausamkeiten dokumentiert und wiederholt verantwortliche Tätergruppen öffentlich benennt.

 

 

 

s. auch Ärzte und Ärztinnen ohne Grenzen

 

Ärzte und Ärztinnen ohne Grenzen. Dies ist ein Beispiel für Grenzenlosigkeit: Aus eigenem Antrieb leisten Medizinerinnen und Mediziner vieler Länder humanitäre Nothilfe für Flüchtlinge auf See, in gefährlichen Situationen von Krieg und Gewalt, Naturkatastrophen und Epidemien. Seit der Verleihung des Friedensnobelpreises an den Arzt und Schriftsteller Albert Schweitzer (1952) wurden couragierte Mediziner nur selten damit ausgezeichnet, so die Mitglieder der beiden Ärzteorganisationen International Physicians for the Prevention of Nuclear War (1985) und Médecins Sans Frontières (1999). Der französische Internist und spätere Gesundheitsmininster Bernard Kouchner (*1939) war von 1971–1977 erster Vorsitzender der MSF und gründete drei Jahre später die zweite Hilfsorganisation Médecins du Monde (MDM).

Krieger-Denkmal und „Hitler-Glocke“

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Denkmal meines Großvaters Karl Krieger „Unseren toten Kameraden“

Mein Großvater Karl Krieger war „Studienprofessor“ für Kunst und Mathematik. Sein Denkmal vor der Oberrealschule in Zweibrücken/ Pfalz dient der Trauer, nicht der Heldenverehrung: Hier wird der Toten beider Weltkriege gedacht.

Nicht weit entfernt von dem  Kriegerdenkmal meines Großvaters steht Glockenturm der Jakobskirche in Herxheim/Pfalz. Dort hängt immer noch eine „Hitler-Glocke“.

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Die „Hitler-Glocke“ im pfälzischen Herxheim darf im Turm der evangelischen Jakobskirche hängen bleiben. Wer trauert hier um wen?

Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-10/herxheim-hakenkreuz-kirche-urteil-verwaltungsgericht

Ethik in der Medizin

 

Winfried Kahlke
Prof. Winfried Kahlke, Hamburg

Ärztliches Ethos und Widerstand“ ist der Titel eines im Ethik-Seminar der Hamburger Universität diskutierten Vortrags, der das Thema „Ärzte, Dichter und Rebellen“ aufgegriffen und forgeschrieben hat.

Kahlke ethik

Seit dem Erscheinen des Buchs Ethik in der Medizin von Winfried Kahlke und Stella Reiter-Theil (1995), das kurz nach der Denkschrift Geisteswissenschaften heute, einer Art kulturwissenschaftlicher Unabhängigkeitserklärung, herauskam, bietet sich nicht nur den Studierenden der Medizin, sondern auch der medical humanities und allen kulturwissenschaftlich Interessierten eine Neuorientierung.

Danach verbietet sich – schon wegen der zumindest latenten Gefahr einer konformistischen Diskriminierung und Gewalt gegenüber Minderheiten – die übliche „Identifikation von Moralität mit Konformität“ und damit auch eine „Gleichsetzung mit sozialer Konditionierung bzw. sozialer Anpassung“.

Die Medizin heute bewegt sich in einem Spannungsfeld zwischen neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und technologischem Fortschritt, ökonomischen Zwängen und wirtschaftlichen Interessen, dem Auftrag zur gesundheitlichen Versorgung und ethischen Grenzbereichen. Für die ärztliche Ausbildung an den Hochschulen und Medizinischen Fakultäten bedeutet dies, herausgefordert zu sein zu einer kontinuierlichen Reform ihres Curriculums. Ziel ist ein primär patientenorientiertes wissenschaftliches Studium, das wiederum ein differenziertes Lernverhalten und die Erkenntnis fördert, dass für das Verstehen komplexer Zusammenhänge, das Entwickeln einer Differenzialdiagnose, das Vorbereiten auf ärztliches Entscheiden und Handeln ein Studium didaktisch konzipierter Lehrbücher unverzichtbar ist. (Winfried Kahlke 2013).

Siehe auch Das Leben kann nur…

Deutsches Ärzteblatt: Prof. Dr. med. Winfried Kahlke, em. Inhaber eines Lehrstuhls für Hochschuldidaktik in der Medizin an der Universität Hamburg, wurde am 30. Dezember 2020 88 Jahre alt.
Nach seinem Staatsexamen und seiner Promotion zum Dr. med. an der Universität Heidelberg begann er dort seine internistische Weiterbildung. Bei seinen biochemischen Studien in Köln identifizierte Kahlke die Phytansäure als Substrat der Refsum-Krankheit, einer Speicherkrankheit mit schweren neurologischen Ausfällen. Nach seiner Habilitation in Heidelberg wurde er 1974 auf einen neu eingerichteten Lehrstuhl für Hochschuldidaktik an die Universität Hamburg berufen. Er entwickelte dort eine Orientierungseinheit für Studienanfänger, eine Lehrveranstaltung „Berufsfelderkundung“, einen Modellversuch „Poliklinischer Unterricht an Lehrkrankenhäusern“ und das weit ausgearbeitete Projekt für „Problemorientiertes Lernen“. 1987 hat er die Akademie für Ethik in der Medizin in Hamburg mitbegründet. Er ist Mitherausgeber eines Standardwerks mit dem Titel „Ethik in der Medizin“. Er war Mitglied des Kammervorstandes der Ärztekammer Hamburg; seit 1994 ist er Vorsitzender des Fortbildungsausschusses. Seit vielen Jahren war Kahlke Delegierter beim Deutschen Ärztetag. 1999 ist er in Würdigung seiner Verdienste um die ärztliche Fortbildung mit der Ernst-von-Bergmann-Plakette der Bundesärztekammer ausgezeichnet worden.