Über schöne Ahnungslosigkeit

  1. die Qualifikation von Berufspolitikern

Alle reden von einer neuen Bildungskatastrophe, vom Lehrer- und Ärztemangel. Ich denke, man sollte in diesem Zusammenhang niemals auf Lehrer und Schüler, also die Nicht-Politiker, herabblicken und nicht zu den Politikern hinaufblicken. Hochmut, aber auch übermäßige Ehrfurcht, kommt vor dem Fall.

Man denke nur nur an das „Koryphäen-Killer-Syndrom“, das im Weißen Haus grassiert.

Der Abschluss eines Hochschulstudiums qualifiziert noch keinen Politiker zur Besetzung eines Ministeramts, freilich der Abbruch eines Jurastudiums, wie im Fall des Bundeskanzlers Kurz – umso weniger.

Als Chef einer rechtskonservativen Regierung diskreditiert er die Seenotrettung von Flüchtlingen auf dem Mittelmehr und damit auch die Arbeit der Ärzte ohne Grenzen.

Nun verhandelt dieser Nicht-Jurist mit dem deutschen Innenminister Seehofer, der sich als “Erfahrungsjurist“ bezeichnet, über rechtlich komplexe europäische Migrationsfragen.

Seehofers Mittlere Reife reichte für seine Karriere in Verwaltung und Regierung, aber offenbar nicht für die Bewältigung der aktuellen politischen Herausforderungen in einem demokratischen Europa.

Wenn zugleich zwei weitere Kabinettsmitglieder, eine Hotelfachfrau und ein Diplomkaufmann, (die bisher keine Universität von innen sahen), in die Bundesregierung berufen wurden: Bildungs- und Forschungsministerin Karliczek und Gesundheitsminister Spahn, lässt das an auffällige Bildungsdefizite als Ursache früherer Fehlbesetzungen der Bundesministerien (Dr. zu Guttenberg, Dr. von der Leyen, Dr. Schavan) und des Amtes eines Kulturstaatsministers (Prof. Neumann) denken.

Der geborenen Physikerin Dr. Merkel unterliefen als Kanzlerin diese Fehler, als sie Plagiate ihrer Kabinettsmitglieder anfangs ignorierte und alle Minister und Ministerinnen trotz dieser Verfehlungen in Schutz nahm, sogar Bernd Neumann, der Gedichte Erich Frieds gern “verbrannt gesehen“ hätte, ins Bundeskanzleramt berief.

Bernd Neumann

Wer seinen Kabinettsmitgliedern und “Untergebenen“ immer wieder sein uneingeschränktes Vertrauen ausspricht, wie Seehofer und Dr. Merkel, verliert das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger. Wer seine politischen Ziele nur ändert, wenn dazu heftige Anstöße von außen kommen, d.h. ein Atomkraftwerk explodiert oder ein “Migrantenstrom“ in Europa eintrifft, begeht im Innern eine ungeahnte Fülle von Fehlern. So kommt es zur Implosion der Agenda und damit zum Stillstand der Politik.

Da ist die späte Einsicht, dass Vertrauen verloren ging, erfrischend offen und ehrlich, doch die Bitte um Vertrauen in die herrschende Politik ziemlich hilflos, zumal die Ankündigung rückhaltloser Analysen von Wahlniederlagen zu reinen Lippenbekenntnissen degenerieren.

3 Kommentare zu „Über schöne Ahnungslosigkeit

  1. Wähler können zu Recht erwarten, dass auf höchster Regierungsebene Personen mit Sachverstand entscheiden und zugleich über die Fähigkeit verfügen, die ethische Relevanz ihrer Entscheidungen abzuschätzen. Letzteres setzt mehr als Realschulkenntnisse bezüglich der Arbeit des menschlichen Geistes und seiner Erzeugnisse in Kunst, Literatur und Philosophie voraus.
    Kann man die Verteidigung derselben gegen ein weitverbreitetes Nützlichkeitsdenken, besonders im Bildungssektor, von der Hotelfachfrau Karliczek erwarten? Welche Berater werden sich durchsetzen? Wird man versuchen, Universitäten zunehmend in von der Wirtschaft abhängige Institutionen umzuwandeln, von deren Forschung man den kurzfristig feststellbaren und vorhersehbaren „Impact“ erwartet, wie es im Englischen einschlägig heißt?
    Welche Rolle spielt das Geld für den Diplom-Kaufmann Jens Spahn, wenn es darum geht, eine fortschreitende Enthumanisierung der Medizin aufgrund einer fehlgeleiteten Finanzierung der medizinischen Dienstleistungen zu bremsen? Wie wichtig wird ihm eine unabhängige medizinische Grundlagenforschung an Universitäten sein, die Geld kostet, deren Ergebnisse aber nicht vorhersagbar sind und möglicherweise sogar einträgliche Geldquellen der Gesundheitsindustrie in Gefahr bringen könnten?
    Personen, die menschenverachtende Politik betreiben oder Bücher, immerhin die Träger des kulturellen Gedächtnisses der Menschheit, verbrennen wollen, sollten von vorneherein für ein politisches Amt disqualifiziert sein. Dass dies nicht so ist, lässt auf eine Form von Ahnungslosigkeit schließen, die sich selbst nicht erkennt. Die Folgen derselben tragen wir alle.

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