Eros und Poesie

Das apollinische Zusammenspiel von Medizin und Poesie war in der frühen Neuzeit ein Glücksfall. Doch der Einfluss des Liebesgottes auf den „medicus poeta“ überdauerte die Jahrhunderte.

1 Keats
John Keats, Lyriker der Romantik und Wundarzt (1795-1821)

Trotz seiner Distanz als Arzt und Dichter setzte sich John Keats über alle Konventionen hinweg; denn mit seinem poetischen Ziel verband er durchaus auch einen politischen Zweck, den er ebenso hartnäckig wie subtil verfolgte, wenn er erotische Verse und Liebesbotschaften verfasste, die in der Viktorianischen Ära als Skandal empfunden wurden:

O! let me have thee whole, – all, all, be mine!
That shape, that fairness, that sweet minor zest
Of love, your kiss – those hands, those eyes divine,
That warm, white, lucent, million-pleasured breast –

O gib dich ganz! Sei mein – sei meinem Flehen!
Gestalt und Antlitz – süßer kleiner Mund –
Himmlische Augen, Hände, die verstehen,
Der warmen Brüste freudevolles Rund.

Bright star
Filmtitel nach dem gleichnamigen Gedicht von John Keats, die Liebesgeschichte von Fanny Brawne und John Keats

In der Wahrnehmung aufmerksamer Leserinnen und Leser dürften John Keats’ Gedichte heute noch ihre inspirierende Wirkung unmittelbar entfalten. Begünstigt durch den Takt der Verse, vor allem, wenn sich das lyrische Herzklopfen – im Einklang mit dem eigenen Pulsschlag – körperlich nachempfinden lässt, sollte sich ein Gedicht – „für immer“ – dem autobiographischen Gedächtnis einprägen. Denn „wo Schönheit ist, ist Freude auch für immer.“

Gelegentlich lässt sich beobachten, dass selbst Demenzkranke spontan Gedichte aufsagen und dann mit Vorliebe wiederum Verse von John Keats rezitieren („Ärzte. Dichter und Rebellen“ S. 83).

Spiel, Poesie, Sexismus oder Kunst?

Alice Salomon Hochschule Berlin / Gedicht
Avenidas von Eugen Gomringer

Die Vokale werden wie Honigtropfen in die Waben der Konsonantenstruktur gefüllt. So beginnt die Sprache zu klingen, im Spiel und in der Poesie.

Ein bekanntes Beispiel für konkrete Poesie ist das Gedicht von Eugen Gomringer:

ping pong
         ping pong ping
         pong ping pong
                            ping pong

Auf diese Weise wird in jeder Konstellation ein diagonal gespielter Ballwechsel nachgeahmt. Der Glanzeffekt des visuell-räumlich strukturierten Gebildes ist dessen akustische Wirkung („Ärzte, Dichter und Rebellen“ S. 94).

Nun entbrannte aber in Berlin ein Lyrik-Streit:

https://www.welt.de/kultur/literarischewelt/article172804585/Nora-Gomringer-ueber-das-Entfernen-von-Avenidas.html

Psychosomatik, Poetik und pathische Kategorien

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Psychosomatik und Poetik. Die „pathischen Kategorien“ gehören nicht nur als Grundbegriffe der anthropologischen Medizin Viktor von Weizsäckers zur Psychosomatik, sondern finden sich auch in der Poetik. Rein formal sind es modale Hilfsverben. Aber Erich Frieds Gedicht „Dann wieder“ jongliert zum Beispiel poetisch mit dem Können, Dürfen, Wollen, ohne sein Thema überhaupt ansprechen zu müssen.

33 El Saadawi
Nawal El Saadawi, Kairo, Erzählerin, Psychiaterin

Nawal El Saadawi, die äygyptische Ärztin und Dichterin, wußte offenbar schon früh, was sie wollte, durfte, konnte, tun sollte und tun musste.
Man muss nicht Schriftstellerin und Ärztin sein, wie Nawal El Saadawi, um gegen die Unterdrückung von Frauen einzutreten; aber man muss als Medizinerin und Mediziner, Schriftstellerin und Schriftsteller, wohl schon von Berufs wegen – wie jeder, der zum Widerstand fähig ist – gegen den Missbrauch von Macht und Menschen eintreten. Denn das, was „man muss“, ist eine pathische Kategorie und zugleich objektiv das, was „die Wissenschaften, die Gerechtigkeit, der soziale Anstand, die Vernünftigkeit“ im praktischen Handeln verlangen (V.v.Weizsäcker).

Dreidimensionales Sehen und Funktionswandel

Eine der wichtigsten Entdeckungen der Heidelberger Schule der Psychosomatik war der so genannte Funktionswandel. Necker-wuerfelrp

Denn nun wurde dem statischen ein dynamischer Funktionsbegriff entgegengestellt. Diesem Funktionswandel entspricht beispielsweise in der digitalen Technik das „Flip-Flop-Phänomen“. Dafür ist der „Necker-Würfel“ ein Beispiel: Ständiger Perspektivwechsel mit Einblick in den Würfel von oben oder von der Seite.

Arztdichter 1
Ein Kippbild, der Würfel von Louis Albert Necker (1786-1861): Dreidimesionale Wahrnehmung eines zweidimensional gezeichneten Kippbildes.

So steht  die Beschriftung mit den Namen von Arztdichtern Keats, Benn, Sacks und Goetz einmal eher rechts oben, ein andermal auf der Rückseite des Würfels. Dieses Kippen (Flip-flop-Phänomen) beruht wahrscheinlich auf einer leichten Ermüdung oder Trägheit der visuellen Wahrnehmung. Solche Täuschungsphänomene sind konstitutiv für die ungestörte Wahrnehmung.

Ein ähnlicher neuropsychologischer Vorgang ist der sensible Funktionswandel.

 

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Psychosomatik akuter Schmerzen

Ärzte, Dichter und Rebellen-psychosomatische Aspekte

https://www.researchgate.net/publication/271117950_Differentiated_Diagnostics_and_Multimodular_Therapy_of_Neuropathic_Pain

Über das Buch “ Ärzte, Dichter und Rebellen – psychosomatische Aspekte“  von Karl F. Masuhr. Dazu ein Film zur Psychosomatik von Schmerzen.

mechthilde-kuetemeyer
Dr. Mechthilde Kütemeyer

Es geht um den subjektiven biographischen Kalender, in dem der akute Schmerzbeginn bei schweren traumatischen Ereignissen aufgezeichnet ist.

Körperschmerz – Seelenschmerz Video © WDR

Zum 80. Geburtstag von Mechthilde Kütemeyer

s. auch Autorinnen in der Medizin

In diesem preisgekrönten Film des WDR von 1998 wirkt die Neurologin und Psychotherapeutin Dr. med.  Mechthilde Kütemeyer (7.12.1938 – 8.10. 2016) mit.

Gibt es auch Dichterinnen im Bereich der Medizin?

In der Monographie von Wilhelm Theopold mit dem Titel
Doktor und Poet dazu.  Dichterärzte aus fünf Jahrhunderten“
wird beklagt, dass es immer an Ärztinnen in der schönen Literatur gefehlt habe.  Dies sei dem historisch späten Beginn des Frauenstudiums geschuldet: Unter den zahlreichen Poeten finde sich „keine einzige“ Medizinerin.

Dies trifft aber nicht zu.

Ein neues Aufgabengebiet eröffnete sich unabhängigen Ärztinnen und Ärzten auch außerhalb europäischer Grenzen. Darüber berichtet die Schriftstellerin und Ärztin Inga Wißgott, die zwei Gedichtbände über Medizinisches und Menschliches (2003)und einen Bericht über ihren Einsatz als Chirurgin in Afrikas Krisenregionen publizierte: Ärztin ohne Grenzen (2009).

wissgott heute
Inga Wißgott, Wien, Ärztin ohne Grenzen, Lyrikerin und Erzählerin

Auf die Frage, wie sie auf die Idee gekommen sei, mit den Ärzten ohne Grenzen nach Afrika zu gehen, antwortete sie, ihre Mutter, selbst Ärztin, habe ihr schon früh von Albert Schweitzer (1875–1965) erzählt, der sich der Humanität verschrieben und in Afrika ein Spital aufgebaut hatte.

Zur Situation der Frauen in Literatur und Medizin

Während der ritterliche Minnesang des Mittelalters die Frau vielfach auf einen begehrten Gegenstand der höfischen Dichtkunst reduzierte, griff in der Neuzeit eine Reihe von Autorinnen aus eigener Lust an der Poesie zur Feder. Hinzu kam das allgemein wachsende wissenschaftliche Interesse an der Medizin.

Es verwundert allerdings nicht, dass im 19. und selbst noch im 20. Jahrhundert nur wenige Ärztinnen neben ihrem Einsatz für Kranke und der Arbeit für die eigene Familie auch noch literarische Texte verfassten, wie zum Beispiel Harriet Straub (1872–1945), eine der ersten approbierten Medizinerinnen, die sich zudem in der Frauenbewegung engagierten, wie auch Charlotte Wolff (1897–1986) und Nawal El Saadawi (*1931).

 

 

2 Harriet Straub neu
Harriet Straub (Hedwig Mauthner, 1872-1945) „Wüstenärztin“, Erzählerin, S.16 Doctors, poets and rebels

33 El Saadawi
Nawal El Saadawi, Kairo, Psychiaterin, Erzählerin und Rebellin  (S. 249)
26 Charlotte Wolff
Charlotte Wolff, Ärztin, Dichterin und Rebellin

s. a. Charlotte Wolff  S. 74,  Alice Jones S. 23, Margaret Atieno Ogala S. 28,  Herta Nathorff und  Elizaveta Polonskaja S. 89,  Annemarie Leibbrand S. 90 und Vera I. Gedroitz S. 163.

Northhoff Hertha Abb
Hertha Nathorff, Ärztin und Dichterin
wissgott heute
Inga Wißgott, Wien, Ärztin ohne Grenzen, Lyrikerin und Erzählerin

Ilse Aichinger, geb. am 1.11.1921, „eine der wichtigsten und                            
widerständigsten Stimmen der deutschsprachigen Literatur nach 1945″  
war Tochter  einer  jüdischen  Ärztin.  Ihr  Vater  übte  einen  pädagogischen
Beruf aus. Nach der frühen Scheidung der Eltern (1927) lebte sie
bei ihrer Mutter und Großmutter in Wien. 1942 erhielt die Mut-
ter  Berufsverbot,  und  die  Großmutter  wurde  in  ein  Vernich-
tungslager bei Minsk deportiert. Ilse Aichinger rettete das Leben
ihrer Mutter, als sie sie in einem Haus – gegenüber dem Wiener
Gestapo-Hauptquartier  –  versteckte.  Sie  wollte  Ärztin  werden,
brach  aber  das  Medizinstudium  nach  fünf  Semestern  ab,  um  als
Verlagslektorin zu arbeiten und eigene Prosatexte, darunter den
autobiografischen  Roman  Die  größere  Hoffnung  (1948)  zu  ver-
fassen. Sie war mit dem Lyriker und Hörspielautor Günther Eich
(1907–1972) verheiratet, den sie bei einer Tagung der Gruppe 47
kennen gelernt hatte; beiden wurde der Preis der Gruppe 47 ver-
liehen.  Kurz  nach  ihrem  95.  Geburtstag  starb  Ilse  Aichinger  am 11.
November 2016 in Wien. Siehe auch Spiel, Poesie, Sexismus oder Kunst?

Ilse  Aichinger

Quadratur des Kreises neurophysiologisch lösbar

Gehirn

Abbildung der oberen Hirnfurchen: Rechts der Bildmitte motorische Hirnrindenregion, weiter rechts davon in Richtung Hinterkopf sensible Hirnrindenregion.

 

Lässt sich das Problem der Quadratur des Kreises physiologisch lösen?

In der taktilen Wahrnehmung verschmilzt ein wiederholt auf die Haut gezeichnetes Vieleck allmählich zu einer kreisförmigen Struktur.

Je häufiger man einen leichten Hautreiz an derselben Stelle setzt, desto eher wird er umgedeutet. Obwohl der Betroffene wach ist, scheint die Wahrnehmungsfunktion zu ermüden. In diesem Zustand kann ein geometrisches Objekt mit einem anderen verwechselt werden. Das zeigt sich bei der Dermolexie, wenn die wiederholt auf ein bestimmtes Hautareal gezeichnete Figur, ein Viereck oder auch eine Zahl, mit zunehmender Stimulationsdauer nicht mehr differenziert werden kann, da die bei geschlossenen Augen zunächst richtig erkannte Form wie das Quadrat in der taktilen Wahrnehmung allmählich zu einer kreisförmigen Struktur verschmilzt,  obwohl weder an der Art noch am Ort der Stimulation etwas verändert wird.

Mit Viktor von Weizsäckers Worten ist daher festzustellen, dass bei diesem Funktionswandel „etwas Neues geschaffen wurde wie bei einer Schöpfung, wie bei einer Dichtung.“

Da der sensible Funktionswandel bei gesunden Personen umkehrbar ist, also bei nachlassender Ermüdung der zuvor statt eines Vierecks wahrgenommene Kreis wieder als Quadrat erkannt wird, löst die neuronale Physiologie auf anschauliche Weise das Problem der Quadratur des Kreises.

Es ist der Funktionswandel des Quadrats zum Kreis und umgekehrt die Quadratur des Kreises.

 

Hervorgehoben

K.F. Masuhr: Ärzte, Dichter und Rebellen

 

 

Auf der Suche nach frühen Spuren der Psychosomatik in der Dramen- und Prosaliteratur finden sich wegweisende Texte von Friedrich Schiller, Georg Büchner und Arthur Schnitzler. Diese Mediziner befassten sich eingehend mit dem Leib-Seele-Problem. Einige ihrer ersten Beobachtungen und Einsichten gingen unmittelbar in die Dichtkunst und damit in die Weltliteratur ein. Als Arztsöhne rebellierten sie nicht nur gegen ihre Väter, sondern auch gegen die herrschende Medizin und Gesellschaft.
Friedrich Schiller wurde als Autor der Freiheitsdramen „Die Räuber“ (1782) „Don Carlos“ (1787) und „Wilhelm Tell“ (1804) berühmt; er war Sohn eines Wundarztes und studierte an der Stuttgarter Militärakademie Medizin. Der angehende Regimentsmedikus hatte schon vor der triumphalen Mannheimer Uraufführung seines Schauspiels „Die Räuber“ (1782) drei Studien verfasst, die sich mit philosophischen, physiologischen und psychosomatischen Problemen beschäftigten.
Georg Büchner. Auch der Dramendichter und Privatdozent Georg Büchner kann als ein Vorbote psychosomatischen Denkens in der naturwissenschaftlichen Medizin angesehen werden. Sein Vater war Chirurg und Kreisarzt von Darmstadt. Georg Büchner führte eine erbitterte Auseinandersetzung mit der restaurativen Biedermeier-Gesellschaft und wurde darüber zum Revolutionär. Seine bekanntesten Werke sind “Dantons Tod„ (1835) und „Woyzeck“ (1836).
Arthur Schnitzler. An der Wende zum 20. Jahrhundert war es der Arzt, Dramatiker und Erzähler Arthur Schnitzler, Sohn eines Wiener Laryngologen, der ausgehend von seinen Studien zur hypnotischen und suggestiven Therapie funktioneller (psychogener) Störungen, ein Bindeglied zwischen Literatur und Psychoanalyse herstellte, um vorbewusste Vorgänge des Seelenlebens darstellen zu können. Er entwickelte mit den Novellen Lieutenant Gustl (1900) und Fräulein Else (1924) die Erzählform des „inneren Monologs“ für die deutsche Sprache.
50 weitere Dichter, Ärzte und Rebellen – von Francois de Rabelais und Johann Christian Günther über John Keats und Justinus Kerner bis hin zu Alfred Döblin, Rainald Goetz und Jon A. Mukand– werden hier vorgestellt. Im 20. Jahrhundert kamen auch Dichterinnen und Ärztinnen wie Harriet Straub, Charlotte Wolff und Hertha Nathorff zu Wort, die sich für die Frauenbewegung einsetzten. Diese Autoren/Autorinnen verfügen über ein besonderes Sensorium, um das wahrzunehmen, was sie als Ärzte und Ärztinnen, als Dichter und Dichterinnen betrifft, worum es in der Kunst und Medizin geht und was sie selbst angeht, weil es ihnen nahegeht. Welche Beobachtungen und Erlebnisse auch immer in Literatur verwandelt werden, die ärztliche Tätigkeit verhilft ihnen zu einzigartigen Erfahrungen im Umgang mit menschlichem Leben und Leiden.