Gepräch mit einer Kritikerin

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KRITIKERIN: Ärzte, Dichter & Rebellen“ ist ein Buch, das den Menschen in den Blick nimmt.  Aber es  vermischen sich Vergangenheit und Gegenwart.

KFM: Ja, es kann bei Rabelais, Schiller, Che Guevara, Goetz und Antunes nicht immer chronologisch zugehen.

KRITIKERIN: Die 53 Protagonisten, allesamt schreibende Ärzte, sind keine Helden aus einem Actionfilm.

KFM: Nein,  Arztdichter sind oft Antihelden, die verfolgt und deren Schriften verboten wurden. Es gibt viele Konflikte und Krisen.

KRITIKERIN: Allesamt sind verstrickt in die Tumulte ihrer Zeit, verängstigt mitunter, verhöhnt, gefangengesetzt, vertrieben, gar getötet, weil ihre Texte Widerstand zum Ausdruck bringen gegen den Mainstream oder die Mächtigen. Sie provozieren gewaltfrei, enthüllen das Verborgene, rütteln auf.

KFM:  Die Zensur war allgegenwärtig, nicht nur zur Zeit der Restauration. Michail Bulgakow wurde von Stalin, Gottfried Benn von Hitler verboten. Hitler verbot aber auch Schillers „Tell“ .

KRITIKERIN: Es geht Ihnen um Sprache, auch um Schweigen, Effekte und Affekte…

KFM: Ja. Bei Sigmund Freud und dem von ihm geschätzten Arztdichter Arthur Schnitzler finden sich erste Versuche, das Schweigen zu verstehen. Die moderne Aphasiologie, Logopädie  und Linguistik haben ein entsprechendes Konzept entwickelt (z. B.: Luise Lutz: „Das Schweigen verstehen“. Sprachtherapie und Psychotherapie sind auch nach meiner Erfahrung wirkungslos, wenn die Beteiligten emotional unbewegt bleiben: Kein Effekt ohne Affekt.

KRITIKRIN Ich habe Ihr Buch langsam gelesen, vieles mehrfach.

KFM: Andere blättern nur darin. Viele sagen, sie wollen es später lesen. Andere werden es kaufen, aber nie aufschlagen. Das enttäuscht den Autor, der sich so viele Jahre damit beschäftigt hat. Wieder andere fangen plötzlich an zu lesen und schreiben mir dann ein paar Sätze oder sogar eine Rezension zu dem Buch.

KRITIKERIN: Es hat mein Denken verändert.

KFM: Ich danke Ihnen.

( Der Gespräch  mit Anne R. fand im Anschluß an ihre ausführliche Rezension vom 11. 9. 2018  statt, die an anderer Stelle erschienen war, s. Archiv).

 

Nun äußert sich auch erstmals der Buchhandel, obwohl der Verlag offenbar mit der Auslieferung nicht überall nachkommt:

Bewertung von Alex Maurer, Buchhändler aus Ulm am 20.09.2018
Mein Buch des Jahres: Doktorspiele, Poesie und Gedankenfreiheit.
Als Buchhändler, der pflichtgemäß mindestens ein Buch pro Woche und dabei besonders gern Biografien liest, habe ich jetzt das Buch des Jahres ausgemacht: In dem neuen Werk des Neurologen Karl F. Masuhr (ein Bestsellerautor, der Fachbücher schreibt) geht es um die abenteuerlichen Lebens- und Liebesgeschichten von mehr als 50 Ärzten, die Dichter waren. Das Buch enthält ebenso viele Abbildungen von Dichtern – und Dichterinnen.
In jedem Fall stellt sich die spannende Frage, warum sie eigentlich zu Rebellen und Rebellinnen wurden. Man erfährt zahllose Details, die mir neu waren: Viele Dichter waren Arztsöhne (z .B. Schiller, Büchner, Schnitzler, Cervantes, Hemingway, Dostojewski, Flaubert und Proust), kamen also aus gut situierten Familien, doch sie lehnten sich auf gegen ihre Väter und „Landesväter“, wie Masuhr schreibt, allesamt Fürsten und Diktatoren. Die Dichter forderten vor allem Gedankenfreiheit, die Dichterinnen auch mehr Frauenrechte. Ihre Bücher hat man grundsätzlich zensiert und häufig verboten.Sie leisteten Widerstand, gerieten in Krisen und schrieben Weltliteratur. Davon erzählt dieses Buch auf 300 Seiten, sachlich, kritisch und humorvoll, aber auch mit auffälliger Vorliebe für Lebens- und Liebesgeschichten voller Romantik. So kann man etwa Liebesgedichte der Ärzte J. Keats und W .C .Williams im englischen Original und in deutscher Übersetzung (H.M. Enzensberger) lesen, Doktorspiele, Lyrik und Gedankenfreiheit. Trotz vieler Fußnoten und Anmerkungen ein wahres Lesevergnügen!

Hans Scholl und die Weiße Rose

 

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Der Mediziner und Rebell Hans Scholl. (Vgl. „Ärzte, Dichter und Rebellen, ,S. 25f.)

Zu Beginn des Jahres 1943 kämpfte die Widerstandsgruppe um die Geschwister Sophie und Hans Scholl gegen die schon seit zehn Jahren herrschende NS-Willkür.

Das Aufbegehren der Weißen Rose hatte mit dem Wunsch nach Gedankenfreiheit zu tun. Dieses Ideal, das schon im Mittelalter besungen und zur Zeit der Aufklärung den Fürsten abgetrotzt wurde – wie es der Arzt und Rebell, Friedrich Schiller,

in dem Schauspiel “Don Karlos“ (1787) mit der Sentenz:

„Geben Sie Gedankenfreiheit, Sire!“

demonstriert hatte – bewegte in den folgenden Jahrhunderten vor allem die Jugend.

Mit ihrem 1. Flugblatt berief sich die Weiße Rose auf diesen Dichter, der zur Zeit der Französischen Revolution vor einem Staat gewarnt hatte, welcher „alle im Menschen liegenden Kräfte“ an ihrer Entwicklung hindere. An der Widerstandsaktion beteiligten sich die jungen Mediziner: Willi Graf, Alexander Schmorell, Christoph Probst und allen voran Hans Scholl gemeinsam mit seiner jüngeren Schwester, der Biologie- und Philosophiestudentin Sophie Scholl. Schon ein Jahr bevor die Weiße Rose mit ihrer Flugblattaktion begann, hatte Sophie Scholl an einer Gefängnismauer, hinter der ihr Vater inhaftiert war, ein Flötenspiel zu dem bekannten Volkslied angestimmt:

„Die Gedanken sind frei.“

Der Vater war wegen regimekritischer Äußerungen inhaftiert worden. Er hatte Hitler “eine Geißel Gottes“ genannt. Er litt nicht nur unter dem Freiheitsentzug, sondern musste erleben, dass seine Kinder Sophie und Hans Scholl und ihre Freunde am 22. Februar 1943 hingerichtet wurden.

weiße Rose