Che Guevara

An den Schnittpunkten mit der Zeitgeschichte zeigt sich, wie die Biographie eines Rebellen von Krisen bestimmt wird. Beispielhaft ist die Lebensgeschichte des Arztes, Schriftstellers, und Revolutionärs Ernesto Guevara de la Serna, genannt Che Guevara (1929–1967). Er entstammte einer argentinischen Familie, die eine Teeplantage betrieb. Seine Eltern, Celia de la Serna y Llosa (1906–1965) und Ernesto Rafael Guevara Lynch (1901–1987) sollen vermögend, aber wenig geschäftstüchtig gewesen sein. Der Vater war oft abwesend. Als ältestes von fünf Kindern erhielt Che Guevara besondere mütterliche Zuwendung. Im 3. Lebensjahr erlitt er einen ersten Asthmaanfall und wurde, weil er wegen zunehmender Anfälle nicht die Schule besuchen konnte, von seiner Mutter unterrichtet.
Wie rebellisch er auch sein mochte, nur selten widersetzte sich Ernesto Guevara den Wünschen seiner Mutter.
1946 trennten sich die Eltern. Che wollte Arzt werden. Er hoffte, der an Krebs erkrankten Mutter helfen zu können und zugleich dem eigenen Leiden auf die Spur zu kommen. Zu dieser Zeit erschienen umfangreiche Studien zum Thema Krankheit und Konflikt, so das Standardwerk Psychosomatic Medicine (1950).3 Wenn die Lebensgeschichte von einer Anfallskrankheit wie Asthma bronchiale beherrscht wird, scheinen darin immer wieder psychosomatische Aspekte auf. Die Symptomatik gleicht einem Rebellionsversuch des Körpers und – nach Auffassung eines Heidelberger Psychosomatikers, der zugleich Asthmatiker war – einem Körperstreik. Der Arzt und Schriftsteller Friedrich Wolf erlitt einen Atemnotanfall in der Gefängniszelle, als er wegen seines Kampfs gegen den Abtreibungsparagraphen verhaftet worden war. Von Marcel Proust heißt es, er habe lieber krank sein und Asthmaanfälle erleiden wollen, als durch ein Widerwort das Missfallen seiner Mutter zu erregen.

Im Fall des Rebellen Ernesto Guevara war die Geschwisterrivalität ein pathogenes Agens. Seine Brüder sollen ihn einmal bei einer Rangelei mit dem Kopf in kaltes Wasser getaucht und bei dem dadurch ausgelösten Asthma-Anfall „schadenfroh“ zugeschaut haben.7 1947 begann er mit dem Medizinstudium in Buenos Aires. 1953 schrieb er eine Dissertation über Allergien, die dem Bronchialasthma zugrunde liegen können. Doch gegen die Atemnotanfälle war er nach eigenem Bekenntnis zeitlebens machtlos. Er notierte in sein Tagebuch, das Asthma habe ihn „außer Gefecht“ gesetzt.8 Nachdem er das Elend der Landbevölkerung und der Kranken in einer Leprakolonie erlebt hatte, suchte er sein Heil nicht mehr in der Medizin, sondern in der lateinamerikanischen Revolution. Er verfasste zahlreiche politische Schriften und Reiseberichte. Gelegentlich schrieb er ein Gedicht.

In dem Tagebuch seiner Lateinamerika-Reise (1953–1956) sind Briefe an die Mutter enthalten. Darin schildert er mehrfach Das magische Gefühl, unverwundbar zu sein. Am 4. Juli 1954 berichtet er, was er bei einem Fliegerangriff erlebt habe. Er traue sich kaum, ihr zu sagen, dass er „mit Vergnügen“ beobachtet habe, wie die Leute vor den plötzlich auftauchenden Flugzeugen, die ein Ziel „ganz in seiner Nähe” anvisiert hätten, geflohen seien, während er auf diese Gefahr ganz anders reagiert habe, nämlich mit „dem magischen Gefühl, unverwundbar zu sein.“ Alles sei wie ein schöner Traum gewesen. Offenbar war es eine ursprünglich reale, aber tagtraumartig erlebte Szene, die er seiner Mutter gegenüber in poetischer Briefform wiedergab:
Die Maschine wurde zusehends größer, während aus ihren Tragflächen in kurzen Abständen Feuerzungen hervorschossen und das Geräusch von Maschinengewehrsalven zu hören war. Plötzlich schien das Flugzeug einen Moment lang in der Luft still zu stehen, und kurz darauf erzitterte die Erde vom Einschlag einer Bombe.

Ein Kommentar zu „Che Guevara

  1. Erlebt man das Gefühl, unverwundbar zu sein, nicht auch bei jedem kriegerischen Strategiespiel? Es ist wohl eine Steigerung des Ich, die in diesen Spielphantasien erfahren wird. Bei der Anwerbung von Rekruten für das Militär wird das weltweit ausgenutzt.

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