
Wo Schönheit ist, ist Freude auch für immer
A thing of beauty is a joy for ever
John Keats’ posthum veröffentlichter Briefwechsel mit der 19-jährigen Modistin Fanny Brawne ist eine Liebesgeschichte, die von beiden in lyrischer Form dialogisch verkörpert wurde. Denn Fanny hatte sich insgeheim seine Gedichte – learning by heart – fest eingeprägt: A thing of beautyi s a joy for ever.
Seit ihrer Begegnung gehörte Endymion, die poetische Romanze, weder ihm noch ihr allein, sondern dem Paar, das die schönsten Verse in den intimen Dialog übernahm. Fortan gehörte aber der Dichter sich selbst nicht mehr. Denn Fanny hatte nicht nur seine Verse, sondern auch ihn selbst auswendig gelernt und inwendig versteckt, um ihn zu beschützen und zu behalten.
s. auch Doctors, poets and rebels
Eins seiner schönsten Gedichte richtet sich aus poetischer Distanz an eine Unbekannte:
An eine Dame (flüchtig gesehen in Vauxhall)
Time’s sea hath been five years at its slow ebb,
Long hours have to end and fro let creep the sand,
Since I was tangled in the beauty‘s web,
And snared by the ungloving of thy hand.
Fünf Jahre ebbt das träge Meer der Zeit,
Und langsam rann der feine Stundensand,
Seit du den Handschuh zogst von weißer Hand
Und ich mich fing in deiner Lieblichkeit.
Der glückliche Augenblick einer Begegnung dehnt sich auf Jahre und täglich gezählte Stunden aus. Es ist „das träge Meer der Zeit“ im Wechsel der Gezeiten. Während der reale Hintergrund verschwimmt, entwickelt sich ein scharfes Erinnerungsbild, das von der flüchtig beobachteten Szene zu einem immer wiederkehrenden Déjà vu-Erlebnis anwächst. Da der abgestreifte Handschuh – glove – sich leicht auf love reimen ließe, könnte die Geste der fremden Frau ein minimales Entgegenkommen und damit den Beginn einer Liebesbegegnung anzeigen…