Ein Essay mit dem Titel Fachleute für menschliche Leiden weist bereits
im Untertitel auf die Grenzenlosigkeit des Arzt-Dichter-Diskurses hin:
Anmerkungen zu einem Thema ohne Grenzen
Der Arzt und die Literatur oder
Die Rebellion gegen die Vergänglichkeit.
(Reich-Ranicki, Marcel: Herz, Arzt und Literatur. Zwei Aufsätze. Zürich:
Ammann Verlag, 3. Aufl. 2007)
„Ohne Arthur Schnitzler, Alfred Döblin und Gottfried Benn – dies
ist keineswegs übertrieben – lässt sich die moderne deutsche Lite-
ratur überhaupt nicht mehr denken.“
Dies ist der Moment, da der Arzt, Dichter und Rebell als Figur auf der
inneren Bühne des Publikums erscheint. Zunächst bewegt er sich zwar
noch zwischen Literatur und Medizin, überquert dann aber die Grenzen
in vielerlei Hinsicht: als Forscher und Entdecker, Abenteurer oder Soldat
und als flüchtender Rebell, wie zum Beispiel Friedrich Schiller, Georg
Büchner und Alfred Döblin. Einige Arzt-Dichter schildern ihre Konflikte
und Krisen, die wie Grenzsituationen oder auch gelegentlich wie Grenzer-fahrungen anmuten, vor allem Arthur Schnitzler und Gottfried Benn.
Auf dem interdisziplinären Symposium Literatur und Medizin (2004)
Klara Obermüller: Der Mensch in seiner ganzen Schwäche. In: Literatur und
wurde die Auffassung vertreten, es sei sicher mehr als ein Zufall, dass
„drei der bedeutendsten Schriftsteller der deutschsprachigen Moderne“ –
Schnitzler, Döblin und Benn – „von Haus aus“ Mediziner waren; denn sie
hätten aus eigener Anschauung gewusst, was Krisen sind:
„Denn die Fähigkeit zur feinen Selbstwahrnehmung, der analytische
Blick, der Menschen und Gesellschaften gleichermaßen durch-
schaut, die Vertrautheit im Umgang mit Gedanken und Träumen –
das alles sind Voraussetzungen, die sowohl dem Arzt wie dem
Schriftsteller zugutekommen.“
Medizin. Peter Stulz, Frank Nager, Peter Schulz (Hg.) Zürich 2005, S. 242.