- Nicolas Borns Roman „Die Fälschung“ (1979), zugleich ein Kriegsbericht aus persönlichem Erleben des Schriftstellers, versetzt die Leser in die Gegenwart. Damals stellte die Redaktion einer westdeutschen Zeitschrift politische Nachrichten aus dem Nahen Osten, teils mit gefälschten Fotos, teils mit gefälschten Bildunterschriften, „wirklichkeitsgetreu“ dar, so dass selbst ein Auslandskorrespondent vor Ort nicht mehr ausmachen konnte, ob das, was er geschrieben hatte, aus eigener Feder stammte oder auf Fälschung beruhte. Nicolas Born recherchierte im Libanon, um die Fälscher zu entlarven. Der Protagonist seines Romans berichtete zum Beispiel über wahllose Erschießungen bei gewöhnlichen Paßkontrollen:

„Wer die Arme nicht mehr hochhalten konnte, so hieß es, wurde erschossen.“[1]
Solchen Gräueltaten wollte sich der Protagonist als Berichterstatter nicht aussetzen:
„Er schaute immer öfter weg, ließ immer öfter Termine aus, hatte immer öfter nichts davon gewußt. Aber wieso? Er bekam die Nachrichten ohnehin, die Details konnte er erfinden bzw. aus anderen Zusammenhängen nehmen.“[2]


Was sich in diesem authentischen Kriegsbericht des Schriftstellers als innerer Widerstand gegen die gefälschte Wirklichkeit andeutet, spiegelte sich 40 Jahre später in den Recherchen des Reporters Juan Moreno, dem die Entlarvung eines Hochstaplers gelang. Er deckte die unglaublichen Fälschungen eines Kollegen auf.[3]
Damit riskierte er seinen Ruf.
Denn die Redaktion des Nachrichtenmagazins hatte ihm anfangs nicht glauben wollen, weil sie dem Fälscherblind vertraute: Dieser fabulierende Reporter Lars Relotius, der herausragende Storyteller, ein Karl May der Kriegsberichterstattung im Nahen Osten und im fernen Amerika, erzählte vorzugsweise Gräueltaten und Märchen für Erwachsene, um auf diese Weise, wie es später hieß, mit „verstörenden und anrührenden Berichten“ das Mitleid der Leserschaft zu erregen. Die besten Geschichten waren frei erfunden. Seine Fantasie erübrigte jede Recherche. Er ließ auch seine Kollegen glauben, was sie glauben wollten, vor allem dass die Brutalitäten ebenso wie die Schönheiten dieser Welt nun einmal „unvorstellbar“ und zugleich wahr seien, so faszinierend, wie er sie beschreibe, so als ob er imstande sei, traurige Einzelschicksale stellvertretend für das globale Unglück kompetent, mitfühlend und plausibel zu erzählen. Der „Ausnahmereporter“ wurde mit Journalistenpreisen überhäuft: 40 Auszeichnungen für einen Hochstapler. Lars Relotius ging es wohl aber nicht um Geld, wie JuanMoreno es deutete, er habe vielmehr „bewundert werden wollen.“