
Foto: Der Arzt und Schriftsteller Herbert Renk-Polster
Aufforderung zur Rebellion gegen eine krankmachende Erziehung
Der Autor verlangt Mut von seinen Leserinnen und Lesern, um sogleich die Frage hinzuzufügen: „Können wir von unseren Kindern lernen, mutiger zu sein?“
Herbert Renz-Polster ist Arzt und Schriftsteller. Er lebte mit seiner Familie sieben Jahre lang in den USA und wurde Zeuge einer zunehmend autoritären Gesinnung der Republikaner und rinrt überraschend großen Zahl von Wählern des 45. Präsidenten der USA: Donald Trump habe die Wahl gewonnen, weil er für diese autoritäre Gesinnung stehe. Es gibt m. W. nur wenige Bücher, die dieses aktuelle Thema so souverän, wissenschaftlich begründet und gut verständlich behandeln, wie der neue Band von Renz-Polster. Zu denken ist in diesem Kontext z. B. auch an Robert Habecks Titel: „Wer wagt, beginnt.“ (2016)
Es ist anzuerkennen, dass der Autor sich als Mediziner engagiert in die politische Debatte einmischt. Dies haben lange vor ihm exemplarisch Georg Büchner, Albert Schweitzer und Alfred Döblin getan, um vor einer krankmachenden Entwicklung der Gesellschaft zu warnen. Und jetzt behauptet der Autor „Erziehung prägt Gesinnung“: Viele Nationen würden von Populisten mit „toxischen“ Mitteln behandelt und zu Grunde gerichtet. Damit spielt er zugleich auf den Philosophen Sokrates an, der todesmutig den Vergleich mit der Vergiftung des Staats und seiner Bürger riskiert hatte, als er seinerzeit eindringlich vor der Machtausübung der Oligarchen und dem unaufhaltsamen Untergang der Demokratie warnte.
Renz-Polster spricht von „einer sich selbst abschaffende Demokratie“ in den USA und in Europa, in China und Afrika. „Politische Muster“ seien aber „Kindheitsmuster“. Denn das brutale „System Befehl und Gehorsam“, beginnend mit einer Erziehung durch Isolierung und Prügelstrafe, fördere den angepassten Menschen, der sich schließlich einer Führerfigur unterwerfe. Der Autor verlangt in Anlehnung an die Bindungstheorie ein gesundes, schützendes „Bindegewebe“ als Netz der Angehörigen in Familie und Gesellschaft.
Das Buch dürfte auch von den deutschen Populisten mit Interesse aufgenommen werden. Denn sie werden wissenschaftlich exakt darüber unterrichtet, wie ihre eigene Krise nach autoritärer Erziehung entstanden ist. Sie erfahren in diesem klugen Buch, welche schweren Fehler sie begangen haben, als sie sich aus Angst und Respekt vor Autoritäten letztlich unterwerfen ließen, um andere zu unterwerfen oder weiterhin unterworfen zu werden. Und sie können hier lesen, dass sie nah neuesten Umfragen nur von relativ wenigen Jugendlichen, auch von relativ wenigen Frauen gewählt und, wie alle populistischen Organisiationen, nicht lange überlebensfähig sein werden.
Hauptsächlich deshalb, weil die Kinder und Jugendlichen heute durchaus imstande seien, Widerstand gegen die krankmachenden autoritären Erziehungsmethoden von gestern zu leisten. (Mark S. Huf, 27. 3. 2019)
Die Prügelstrafe galt bekanntlich lange als legitimes Erziehungs- und Zuchtmittel und wurde auch dann noch beibehalten, als sie in den Schulen längst verboten war: Im Jahr 1900 hatte das wilhelmi-nische Kaiserreich ein besonderes
Züchtigungsrecht der Väter gesetzlich verankert.
Erst 100 Jahre später(!) wurde den Kindern in
der Bundesrepublik Deutschland ein Recht auf
gewaltfreie Erziehung zugebilligt.
Doch viele Länder behielten und behalten die
Prügelstrafe bei.
Wegen der Gefahr körperlicher und seelischer Verletzungen wandten sich vor allem kritische
Pädagogen und Ärzte gegen diese Praxis.
• Dafür gab ein Neurochirurg und Schriftsteller aus Singapur ein
besonderes Beispiel: Gopal Baratham verurteilte das Caning,
die übliche körperliche Züchtigung der Jungen und Mädchen in
Schulen und Jugendgefängnissen. Er hatte seinem Bericht, der
Er hielt es für eine Aufgabe des Arztes und Schriftstellers, auf diese
Misshandlungen durch Pädagogen und Justizbeamte hinzuweisen.
Denn er erfuhr unmittelbar, dass der Missbrauch von Macauch die Misshandlung und den Missbrauch von Menschen
nach sich zog. (Vgl. Ärzte, Dichter und Rebellen, S. 224)
