Harriet Straub, Ärztin, Dichterin und Rebellin

Aus: Ärzte, Dichter und Rebellen, Würzburg 2018.
In der Neuzeit griff eine Reihe von Autorinnen aus Lust an der Poesie zur Feder. Hinzu kam das allgemein wachsende wissenschaftliche Interesse an der Medizin, besonders an der Nervenheilkunde.

Es verwundert aber nicht, dass im 19. und selbst noch im 20. Jahrhundert nur wenige Ärztinnen neben ihrem Einsatz für Kranke und der Arbeit für die eigene Familie auch noch literarische Texte verfassten, wie zum Beispiel Harriet Straub (1872–1945), eine der ersten approbierten Medizinerinnen, die sich zudem in der Frauenbewegung engagierten, wie auch Hertha Nathorff (1895–1993), Charlotte Wolff (1897–1986) und Nawal El Saadawi (*1931).

Harriet Straub (Hedwig Mauthner) hatte nach dem Medizin- und Philosophiestudium ein Jahrzehnt lang arabische Frauen in der Sahara behandelt. Sie schrieb zwischen 1909 und 1933 zahlreiche Prosatexte, darunter Heiße Sonne. Aischa. Der schwarze Panther und Aus Anette Drostes Leiden. In einem ihrer Bücher mit dem Titel Buch „Zerrissene Briefe“ (1913) bekannte sie:

„Ich wäre gern dabei, wenn die alten Götzen zusammenpurzeln, ich hab hier, in der Stille der Wüste den Axthieb gehört, der ihre Wurzeln zerstört und wenn die Splitter fliegen, da wär’ ich gern dabei, bei der Arbeit und beim befreienden Lachen.“

Dr. med. Harriet Straub als Beduinin

Die fiktive Korrespondenz der Ärztin und Dichterin ist eine Sammlung epischer Miniaturen. In dem Buch „Zerrissene Briefe“ ist der Brief „Mutterseelenallein“ eine Botschaft, die wie ein Zettel im Vogelflug einem Kind überbracht wird – von der Mutter ein Gruß:
„Liebes Kind, alles was ich an dir gesündigt habe durch meine tote Kälte, ich hab’s voraus gebüßt in der Sterbestunde meiner Mutter, in der ich plötzlich dastand, nackt und frierend in einer entzauberten Welt.“
Dem Schuldbekenntnis der Mutter folgt die Klage über die Grausamkeit der Großmutter, die sich, wie es weiter heißt – sterbend – zur Wand gedreht und damit im letzten Augenblick ihrer Tochter gezeigt hatte, dass sie ein unerwünschtes Kind gewesen war.

MEERSBURG

Als Schriftstellerin ist Hedwig Mauthner unter dem Namen Harriet Straub bekannt geworden. Sie hatte in Zürich und Paris Philosophie und Medizin studiert und danach war sie im Auftrag der französischen Regierung zehn Jahre in der Sahara als Ärztin tätig gewesen.
Schon vor der Heirat mit Fritz Mauthner 1909 und deren Übersiedlung nach Meersburg unterstützte sie ihn in seiner Arbeit und besonders bei der Entstehung des
„Wörterbuches der Philosophie“ (1910/11). Im Glaserhäusle schrieb sie auch „Rupertsweiler Leut‘“ (1912) und „Zerrissene Briefe“ (1913). Der Tod von F. Mauthner 1923 stürzte sie in eine „totale Lebensmüdigkeit“. Ihren seelischen Zustand verschlimmerte noch die Angst um das Glaserhäusle, was zwangsversteigert werden sollte. Gerhart Hauptmann und Wilhelm Restle konnten aber mit ihrer finanziellen Hilfe den Verkauf verhindern.

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