Die Soziologin Cornelia Koppetsch führt mit dem Titel „Die Gesellschaft des Zorns“ neue Gesichtspunkte in die Diskussion um die Populismusgefahr ein. Wer bisher geglaubt hat, die zornigen konservativen Populisten, die „Wutbürger“ und die Rechtsextremisten hätten nun einmal nichts zu bieten als ihren kruden Patriotismus, also keine nennenswerten Erfolge in Beruf und Gesellschaft, geringe Aufstiegschancen und nur die unkritische Rückbesinnung auf nationale Tugenden, muß zur Kenntnis nehmen, dass auch die so genannte bürgerliche Mitte zu diesem Missstand und damit zur Spaltung der Gesellschaft beiträgt. Wenn man sich in teure Wohnviertel zurückzieht und seine Kinder nicht in eine Schule mit zahlreichen Migranten schicken will, kann man nicht überzeugend behaupten, man trage zur Einigkeit der Gesellschaft bei. Doch ist das schon „rassistisch“ (Koppetsch)?
Für die Sozialdemokratie sprechen heute nicht mehr die Arbeiter oder Arbeitnehmervertreter, so Koppetsch, sondern Akademiker, liberale Intellektuelle und gebildete Beamte. Der politische Diskurs ist ja auch komplexer geworden, und die neoliberalen Populisten können ehemals sozialdemokratische Wähler für eine grob vereinfachte marktgerechte Programmatik gewinnen.
Mit dem Mauerfall haben sich natürlich viele Werte verändert. Die Autorin begründet dies folgendermaßen: Seit 30 Jahren bestimmten nicht mehr zwei verfeindete Blöcke das Weltgeschehen, sondern „grenzenlos operierende Großunternehmen“. Und es existiere nun auch keine humanistisch geprägte Hochkultur mehr. Denn das ökonomische Wachstum sei keineswegs mehr an demokratische Werte gebunden.
So argumentiert die Autorin in ihrem aktuellen Bestseller „Die Gesellschaft des Zorns“. Man liest es staunend und mit Gewinn. (Marc S. Huf 19.5. 2019)
Klappentext: Was noch in den 1990er Jahren undenkbar war, ist mittlerweile Alltag: Ganze Bevölkerungsgruppen verlassen den Boden der gemeinsamen Wirklichkeit, kehren etablierten politischen Narrativen zornig den Rücken oder bestreiten gar die Gültigkeit wissenschaftlichen Wissens. Der Aufstieg des Rechtspopulismus markiert nach Dekaden der Konsenskultur eine erneute Politisierung der Gesellschaft.
