Neuerscheinung: Identität

Francis Fukuyama: „Identität ─ Wie der Verlust der Würde unsere Demokratie gefährdet“

Francis Fukuyama leitet sein neues Buch mit dem Satz ein:“Dieses Buch wäre nicht geschrieben worden, hätte man Donald J. Trump nicht im November 2016 zum Präsidenten gewählt.“ Schon vor 25 Jahren wies der Wissenschaftler in seinem Band „Das Ende der Geschichte?“ auf Trumps immensen Wunsch nach Anerkennung im Geschäftsleben und Showbusiness hin. Aber nach eigenem Bekenntnis ahnte der Autor nicht, dass Trump in die Politik gehen würde

Nun setzt sich Fukuyama kritisch mit Populisten und populären Philosophen auseinander, um von Sokrates über Kant und Hegel bis Marx ein Plädoyer für die Erhaltung der Menschenwürde in der Demokratie zu halten. Vor allem untersucht er aber das relativ neue Problem der Identität. Er versucht, die Wut, den Hass und die Ressentiments gegen die freiheitliche Demokratie als Identitätsproblem zu verstehen, ohne die Anschläge gegen Rechtsstaatlichkeit in den gefärdeten Demokratien zu rechtfertigen

Dieser Versuch geht über den historischen Rückblick auf Platons Staat und die sokratische Beschreibung der „dreiteiligen Seele“ hinaus, wenn er betont, dass  „Thymos“ der Teil der Seele sei,  der sich nach Anerkennung seiner Würde sehne, „Isothymia“ hingegen das Bedürfnis, anderen gegenüber als gleichwertig zu gelten, während „Megalothymia“ den Wunsch darstelle, von anderen als überlegen betrachtet zu werden.

In elegantem Stil zeigt er gründlicher als mancher Populismuskritiker, wie der Verlust der Würde unsere Demokratie gefährdet, In immer neuen Anläufen nähert er sich dem Phänomen der Identität, wenn er zum Beispiel von den Arbeitern des amerikanischen Mittelwestens spricht, die sich von einem Filmstar wie Ronald Reagan und dem TV-Prominenten Donald Trump angezogen gefühlt hätten, obwohl ihnen symbolisch nur die kleinen Rollen in Hollywood-Westernfilmen zugedacht worden seien. Die unverkennbare Tendenz zum nationalistisch agierenden Präsidenten: „America first, America first!“ ersetze vielfach die Sehnsucht nach individueller Anerkennung und Würde. Dies sei zweifellos auch ein Bildungsproblem. Das mag stimmen: Im Land der Nobelpreisträger und Elite-Hochschulen ist die Allgemeinbildung in den High schools zu kurz gekommen. Nach Fukuyama kennt nur jeder dritte Schüler die „Bill of Rights“ mit den Grundsätzen der US-Verfassung. Kein Wunder, dass sie leichter verführbar für andere, leicht greifbare Dinge sind.

Damit bleibt aber die Frage offen, wie der Autor die Identität der Amerikaner entsprechend den Verfassungsgrundsätzen stärken und gegen deren Gegner schützen will. Obwohl er nicht außer Acht läßt, dass Sokrates  –  399 Jahre vor Christus –  von Populisten hingerichtet wurde, erinnert er mit seinem Buch an die „dreiteilige Seele“ und an den berühmten Satz des ermordeten Präsidenten John F.  Kennedy: „Frage nicht, was dein Land für dich, sondern was du für dein Land tun kannst.“ Wer diesen Gedanken folgt, sollte das Buch lesen. (Marc S. Huf 2.4.2019)

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