Liebende in Erwartung. Zur Lyrik ASTRID KOHLMEIERS

Astrid Kohlmeier: Ungeduld

Voller Ungeduld erwarte ich dich
Wie meine Haut hungert nach dir.
Wie mein Herz zittert und knurrt
Als du endlich ankommst in mir

Ich lerne dein Antlitz auswendig
Wickle deine Locke um den Finger
Schreibe dir mit meinen Nägeln
Ein Geheimnis auf die Haut

Ich atme dich ein, atme dich aus
Flüstere in einer mir fremden Sprache
Und bringe uns beide weit fort von hier
An einen Ort, der keinen Namen trägt

Mit Küssen verschließe ich dir die Augenlider
Sodass du in der zarten Dunkelheit
Nur eines siehst – mich – in all meiner Nacktheit
In der nichts vor dir verborgen bleibt

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Akt von Dieter Masuhr

Schon kreisen die Verse Astrid Kohlmeiers im deutschsprachigen Raum. Das Gedicht, das auch die Handschrift der Regisseurin Astrid Kohlmeier erkennen lässt, trägt den Titel „Ungeduld“. Ungeduld ist hier die Erwartung der Liebenden.
Der besondere Reiz des Gedichts besteht m. E. darin, dass die Liebende(n) ein, zwei oder drei Personen sein könnten. Jedenfalls scheint die Autorin insofern präsent zu sein, als sie das Liebesspiel inszeniert.

Beitrag von @calamity_jane_kjf: „Zärtliche Risse“ könnte „Von der Liebe“ erzählen, wie auch der erste Teil des Bandes betitelt ist. Aber erzählen ist vielleicht an dieser Stelle schon ein unachtsam gesetztes Wort. Vielmehr ist es ein Begreifen, ein Fühlen, ein Hinhorchen, ein Hineinlugen in ebenjene bitterzarten Risse.

„Du bist anderswo / Wenn deine düsteren Geister mich jagen / Deine Zweifel zärtliche Risse in meine Wände treiben / Deine Tränen von meinen Wangen stürzen. (…)“. (aus: Anderswo, S.32)

Mit diesem Beginn ist das Thema des Verlustes bereits präsent. Auch der tatsächlichen Zeit mit der geliebten Person ist immer eine Grenze gesetzt, sei es durch ihre Abwesenheit, die Flüchtigkeit der Begegnung oder der eigenen Einsamkeit wegen, der Unauflösbarkeit des Todes. Das lyrische Ich ist offen, wund. Die Intensität in der Sprache mal knapp, mal ausufernd, sodass die Unaushaltbarkeit des jeweiligen Zustands unangenehm konkret wird. Das Wundern über sich und die Liebe mutet manchmal beinahe sakral an. Eine mögliche Vergoldung der Risse, das lockige Haar, die Seelenberührung sprechen von einer Tiefe, die der Beziehung eine ausgesprochene Besonderheit verleiht. Worin diese liegt, wissen wohl nur die Liebenden selbst.

Nach dem großen Einstieg in „Von der Liebe“, in dem manchmal Zweifel an den Worten aufkommen, fungieren diese im Kapitel „Worte aneinanderreihen“ wieder als Sicherheitsträger. Die Sicherheit ist allerdings nicht von langer Dauer. „Krieg und Frieden“ ist traurig zeitlos, zeigt wechselnde Positionen auf, erzählt vom hoffnungsarmen Bleiben, vom überlebensnotwendigen Gehen, in alldem der tiefe Wunsch nach Frieden.


Fast besänftigend wirken dann die „Momentaufnahmen“ mit scheinbaren Alltäglichkeiten, aber stets mit derselben Wortgewalt wie zuvor. „Zärtliche Risse“ hat durchaus Pathos.
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Astrid Kohlmeier, Autorin, Regisseurin: *1983 in Graz, studierte Germanistik an der Universität Graz und am Institut Schauspiel der KUG, künstlerisch-wissenschaftliche Assistenz ebendort. Aufführungen von Kohlmeiers Theatertexten (Lauke Verlag) in Graz, München, Luxembourg, Basel. Regiearbeiten u.a. an Theatern in Memmingen, Graz und Greiz („Greizer Theaterherbst“), Gastspiel der Regisseurin bei den „Regensburger Theatertagen“.

2 Kommentare zu „Liebende in Erwartung. Zur Lyrik ASTRID KOHLMEIERS

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