Lilian Masuhr currently works at the NGO Sozialhelden in Berlin. She currently leads the Sozialheld*innen-Akademie and is member of the board and the communication team. She is co-founder of Leidmedien.de, an online plattform about the representation of disabled people in the media.
She studied Cultural Science and French Philology at the Department of Arts and Media, Universität Potsdam and several years Medicine at the RWTH Aachen.
Führerproblem, genetisch betrachtet, von Erich Kästner
Als Gott am ersten Wochenende die Welt besah, und siehe, sie war gut da rieb er sich vergnügt die Hände. Ihn packte eine Art von Übermut.
Er blickte stolz auf seine Erde und sah Tuberkeln, Standard Oil und Waffen. Da kam aus Deutschland die Beschwerde hast versäumt, uns Führer zu erschaffen!
Gott war bestürzt. Man kann’s verstehn. Mein liebes deutsches Volk, schrieb er zurück es muß halt ohne Führer gehn. Die Schöpfung ist vorbei. Grüß Gott. Viel Glück.
Nun standen wir mit Ohne da, der Weltgeschichte freundlich überlassen. Und: Alles, was seitdem geschah ist ohne diesen Hinweis nicht zu fassen.
Marschliedchen
Ihr und die Dummheit zieht in Viererreihen In die Kasernen der Vergangenheit. Glaubt nicht, dass wir uns wundern, wenn ihr schreit. Denn was ihr denkt und tut, das ist zum Schreien.
Ihr kommt daher und lasst die Seele kochen. Die Seele kocht und die Vernunft erfriert. Ihr liebt das Leben erst, wenn ihr marschiert, Weil dann gesungen wird und nicht gesprochen.
Ihr liebt die Leute, die beim Töten sterben. Und Helden nennt ihr sie nach altem Brauch; denn ihr seid dumm und böse seid ihr auch. Wer dumm und böse ist, rennt ins Verderben.
Alternative Strophe Marschiert vor Prinzen, die erschüttert weinen: Ihr findet doch nur als Parade statt! Es heißt ja: Was man nicht im Kopfe hat, Hat man gerechterweise in den Beinen.
Ihr liebt den Hass und wollt die Welt dran messen. Ihr werft dem Tier im Menschen Futter hin, Damit es wächst, das Tier tief in euch drin! Das Tier im Menschen soll den Menschen fressen.
Ihr möchtet auf den Trümmern Rüben bauen Und Kirchen und Kasernen wie noch nie. Ihr sehnt euch heim zur alten Dynastie Und möchtet Fideikommissbrot kauen.
Ihr wollt die Uhrenzeiger rückwärts drehen Und glaubt, das ändere der Zeiten Lauf. Dreht an der Uhr! Die Zeit hält niemand auf! Nur eure Uhr wird nicht mehr richtig gehen.
Wie ihr’s euch träumt, wird Deutschland nicht erwachen. Denn ihr seid dumm und seid nicht auserwählt. Die Zeit wird kommen, da man sich erzählt: Mit diesen Leuten war kein Staat zu machen!
Bücherverbrennung
Das Ende der Gedankenfreiheit: Am 10. Mai 1933 karrten in zahlreichen deutschen Städten die Nazis Tausende Bücher aus öffentlichen und privaten Bibliotheken zusammen und verbrannten sie. Es waren Werke bekannter Autoren wie Erich Kästner, Kurt Tucholsky, Carl von Ossietzky oder Heinrich Mann, darunter viele jüdische Schriftsteller*innen. Beteiligt an den Bücherverbrennungen waren neben einfachen Bürger*innen vor allem Studierende, aber auch Rektoren und Professoren der Universitäten. Öffentliche Proteste gab es kaum. (TTT 9.5.2021)
Erich Kästner 1932:
Die Loreley, bekannt als Fee und Felsen, ist jener Fleck am Rhein, nicht weit von Bingen, wo früher Schiffer mit verdrehten Hälsen, von blonden Haaren schwärmend, untergingen.
Wir wandeln uns. Die Schiffer inbegriffen. Der Rhein ist reguliert und eingedämmt. Die Zeit vergeht. Man stirbt nicht mehr beim Schiffen, bloß weil ein blondes Weib sich dauernd kämmt.
Nichtsdestotrotz geschieht auch heutzutage noch manches, was der Steinzeit ähnlich sieht. So alt ist keine deutsche Heldensage, daß sie nicht doch noch Helden nach sich zieht.
Erst neulich machte auf der Loreley hoch überm Rhein ein Turner einen Handstand! Von allen Dampfern tönte Angstgeschrei, als er kopfüber oben auf der Wand stand.
Er stand, als ob er auf dem Barren stünde. Mit hohlem Kreuz. Und lustbetonten Zügen. Man frage nicht: Was hatte er für Gründe? Er war ein Held. Das dürfte wohl genügen.
Er stand, verkehrt, im Abendsonnenscheine. Da trübte Wehmut seinen Turnerblick. Er dachte an die Loreley von Heine. Und stürzte ab. Und brach sich das Genick.
Er starb als Held. Man muß ihn nicht beweinen. Sein Handstand war vom Schicksal überstrahlt. Ein Augenblick mit zwei gehobnen Beinen ist nicht zu teuer mit dem Tod bezahlt!
P.S. Eins wäre allerdings noch nachzutragen: Der Turner hinterließ uns Frau und Kind. Hinwiederum, man soll sie nicht beklagen. Weil im Bezirk der Helden und der Sagen die Überlebenden nicht wichtig sind.
Der Handstand auf der Loreley Nach einer wahren Begebenheit
Erich Kästner (1899-1974) war ein deutscher Schriftsteller und Journalist. Berühmt wurde er vor allem für seine humorvollen und scharfsichtigen Kinderbücher, die für die damalige Zeit revolutionär waren. Sie liegen in zahlreichen Übersetzungen vor; allein der Roman »Emil und die Detektive« (1929) wurde in 40 Sprachen übersetzt. Bei der Bücherverbrennung der Nazis landeten auch Kästners Bücher im Feuer.
1919 Abitur am Dresdner König-Georg-Gymnasium; Aufnahme des Studiums in Leipzig in den Fächern Germanistik, Geschichte, Philosophie und Theatergeschichte
1919 Begegnung mit Ilse Julius; die Romanze zwischen ihr und Kästner dauert bis 1926
1923 Beginn der Freundschaft mit Erich Ohser (als Zeichner und Karikaturist bekannt unter dem Pseudonym e.o.plauen)
1925 Promotion
1927 Umzug nach Berlin
1929 Bekanntschaft mit dem berühmten Illustrator Walter Trier (1890–1951); er zeichnete die bis heute bekannten Titelbilder für Kästners Kinderbücher
1935 Beginn der Freundschaft mit Luiselotte Enderle, seiner späteren Lebensgefährtin
1945 Umzug nach München
1949 Erste Begegnung mit der Schauspielerin Friedel (eigentlich: Friedhilde) Siebert, mit der Kästner eine langjährige Liebesbeziehung unterhält;
1951 Die Verfilmung des Romans »Das doppelte Lottchen« gewinnt den Deutschen Filmpreis
1951 Präsidentschaft des PEN-Zentrums der Bundesrepublik, die er bis 1962 innehatte
1957 Geburt von Sohn Thomas; die Mutter ist Friedel Siebert
1967 Kästner veröffentlicht sein letztes Werk »Der kleine Mann und die kleine Miss«
1969 Rückzug aus dem Literaturbetrieb; Trennung von Friedel Siebert
1974 Tod am 29. Juli 1974 in München
Werke
1929 Emil und die Detektive Kinderbuch
1929 Lärm im Spiegel
1929 Leben in dieser Zeit Hörspiel
1931 Pünktchen und Anton Kinderbuch
1931 Fabian – Geschichte eines Moralisten Roman
1931 Der 35. Mai oder Konrad reitet in die Südsee Kinderbuch
1933 Das fliegende Klassenzimmer Kinderbuch
1934 Drei Männer im Schnee Roman
1935 Emil und die drei Zwillinge Kinderbuch
1936 Doktor Erich Kästners lyrische Hausapotheke
1948 Kurz und bündig
1949 Das doppelte Lottchen Kinderbuch
1957 Als ich ein kleiner Junge war Kinderbuch
Auszeichnungen und Preise
1956 Literaturpreis der Stadt München
1957 Georg-Büchner-Preis
1959 Großes Bundesverdienstkreuz
1960 Hans Christian Andersen Preis
1970 Kultureller Ehrenpreis der Landeshauptstadt München
1974 Goldene Ehrenmünze der Landeshauptstadt München
2008 Internationaler Preis der jungen Leser, Auswahlliste (Stiftung Lesen)
Amanda Gorman recites a poem during the inauguration of Joe Biden as the 46th President of the United States on the West Front of the U.S. Capitol in Washington, U.S., January 20, 2021. REUTERS/Kevin Lamarque
TIME Cover Februar 2021 Amanda Gorman/ Michelle Obama
Vor dem Kapitol in Washington am 20.1.2021, 18.19 Uhr: Die Poetin Amanda Gorman, 22 Jahre alt, rezitiert ein Gedicht. Es sind starke und bewegende Worte.
Wordsmith. Change-maker.
Amanda Gorman is the youngest inaugural poet in U.S. history, as well as an award-winning writer and cum laude graduate of Harvard University, where she studied Sociology. She has written for the New York Times and has two books forthcoming with Penguin Random House.
Born and raised in Los Angeles, she began writing at only a few years of age. Now her words have won her invitations to the Obama White House and to perform for Lin-Manuel Miranda, Al Gore, Secretary Hillary Clinton, Malala Yousafzai, and others. Amanda has performed multiple commissioned poems for CBS This Morning and she has spoken at events and venues across the country, including the Library of Congress and Lincoln Center. She has received a Genius Grant from OZY Media, as well as recognition from Scholastic Inc., YoungArts, the Glamour magazine College Women of the Year Awards, and the Webby Awards. She has written for the New York Times newsletter The Edit and penned the manifesto for Nike’s 2020 Black History Month campaign. She is the recipient of the Poets & Writers Barnes & Noble Writers for Writers Award, and is the youngest board member of 826 National, the largest youth writing network in the United States. In 2017 UrbanWord and the Library of Congress named her the first ever National Youth Poet Laureate in the United States.
A lyrical picture book debut from Amanda Gorman, inaugural National Youth Poet Laureate and featured poet at the inauguration of 46th President of the United States Joe Biden.
Joachim Widmann: Gorman war eine sehr gute Wahl. Wir Deutschen mit unserem Diktatur-geprägten Propagandatrauma unterschätzen und missverstehen das republikanische Pathos der alten Demokratien als Gemeinschaft bindendes Element. Dieses Gedicht war in diesem Sinne großartig, die Tradition solcher Reden geht zurück auf die Antike. Man kann in diesem hohen Ton eben nicht nur in erheucheltem und übertriebenem Raunen per Opferdiskurs an dunkle Instinkte appellieren, sondern auch ernsthaft, würdig und volltönend die säkulare Religio einer Gemeinschaft in Gleichheit, Vielfalt, Toleranz und Freiheit beschwören.Außer den US-Amerikanern beherrschen nicht von ungefähr nur die Franzosen diese Form ohne Künstelei.(Das Gedicht war übrigens auch formal grandios. Einerseits erinnert es an antike Rhetorik, andererseits an die fortschrittsseligen Hymnen Whitmans, also eine große, sehr amerikanische Literaturtradition der Moderne, und dank der Reim- und Rhythmus-Muster auch an Gospel-Predigten und Rap. Aus meiner Sicht des Literaturwissenschaftlers ist es tatsächlich ein Meisterwerk – und meisterlich vorgetragen, als Gesang, woher die Form ja kommt.) Joachim Widmann Fb 26. 1. 2021
Mit dem Gedicht »The Hill We Climb – Den Hügel hinauf«, das Amanda Gorman am 20. Januar 2021 bei der Inauguration des 46. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Joe Biden, vortrug, schenkte eine junge Lyrikerin den Menschen auf der ganzen Welt eine einzigartige Botschaft der Hoffnung und Zuversicht.
Vor 101 Jahren kam im schwäbischen Forchtenberg ein Mädchen zur Welt und in Moskau ein Junge: Sophie Scholl und Andrej Sacharow. (vgl. Elisabeth von Thadden 29. Dezember 2020, Zeit online am 1. Januar 2021
Erich Kästner (1899-1974) war ein deutscher Schriftsteller und Journalist. Berühmt wurde er vor allem für seine humorvollen und scharfsichtigen Kinderbücher, die für die damalige Zeit revolutionär waren. Sie liegen in zahlreichen Übersetzungen vor; allein der Roman »Emil und die Detektive« (1929) wurde in 40 Sprachen übersetzt. Bei der Bücherverbrennung der Nazis landeten auch Kästners Bücher im Feuer.
Erich Kästner verfasste das Drehbuch des von Goebbels geförderten Münchhausen-Films. Auf Führerbefehl wurde Kästners Pseudonym „Berthold Bürger“ aus dem Abspann gelöscht.
Hier der dissoziative (psychogene) Anfall eines Mannes
Kreisbogen, (Arc de cercle), ein dissoziativer (psychogener Anfall) im Video-Labor aufgezeichnet: 30j. Mann, der Monate nach einem Verkehrsunfall seelisch bedingte, nichtepileptische Anfälle erlitt, die bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert von Jean Martin Charcot als arc de cercle bei grande hystérie klassifiziert wurden. Vgl. Masuhr, K.F.: Duale Reihe Neurologie, E-Book Stuttgart 2016.
L’arc de cercle des hystériques. Historique, interprétations:
Médecins du Monde wurde am 7. März 1980 durch den französischen Arzt und Politiker Bernard Kouchner und 14 weiteren Ärzte gegründet. Kouchner war bereits 1971 an der Gründung der Organisation Médecins Sans Frontières (MSF) wesentlich beteiligt, die im deutschsprachigen Raum auch als Ärzte ohne Grenzen bekannt ist. Ab 1977 kam es jedoch zunehmend zu Differenzen zwischen ihm und der Führung von MSF. Dies betraf vor allem die Frage, wie Hilfskräfte mit Verstößen gegen die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht umgehen sollten, deren Zeuge sie im Rahmen ihrer Einsätze wurden. Die endgültige Trennung zwischen MSF und Kouchner erfolgte 1980 als Folge eines Hilfseinsatzes Kouchners für vietnamesische Bootsflüchtlinge. Obwohl der Einsatz letztlich erfolgreich war, wurde er von der Mehrheit der MSF-Mitglieder nicht unterstützt. Kouchner entschloss sich daraufhin, mit Médecins du Monde eine neue Organisation zu gründen, und war von 1980 bis 1982 deren erster Präsident.