Michail Bulgakow hatte nach dem Medizindiplom (1916) zunächst als Truppen- und Landarzt in den Nachkriegsjahren als Journalist gearbeitet und erste literarische Texte wie zum Beispiel „Die weiße Garde“ (1924) verfasst. Bei einer Hausdurchsuchung wurden seine Tagebücher und das einzige Exemplar seines Romans „Hundeherz“ konfisziert. Der Autor empfand die Zensur als „literarische Hinrichtung“. Josef Stalin hatte dem Autor zwar telefonisch viel Erfolg gewünscht, doch für den Fall aller Fälle die Aufführung seiner Stücke und die Verbreitung seiner Schriften verboten. Als Bulgakow diese doppelte Bot- schaft aus dem Kreml durchschaute, steckte er bereits in der Falle: Der Diktator hatte den Dichter ermutigt – mit gefesselten Händen – frisch drauflos zu schreiben.
Gerade deshalb wurde der Dichter gemaßregelt und verfemt.
Nachdem er in seiner Not alle Manuskripte verbrannt hatte, berichtete er dem Diktator, er leide unter Angstzuständen und „herzbedingter Schwermut“.
Der Grund dafür sei das „langjährige Gehetzt werden und das darauffolgende Schweigen“.
1940 starb er, erblindet, im Alter von 49 Jahren.
Erst nach dem Tod des Kremlchefs (1953) wurde Michail Bulgakow rehabilitiert.
Als sein Roman „Der Meister und Margarita“ (1966) erschien, feierte man ihn enthusiastisch.
_______________________________________


Bei dem Vergleich der Texte und deren Wirkungsästhetik überwiegen die
auffallenden Unterscheidungsmerkmale der Literaturgattungen:
Für Michail Bulgakow und Gottfried Benn traf weit weniger zu, was Friedrich
Schiller, der kein geborener Erzähler war, wegen seiner Vorliebe für Ge-dankenlyrik und Freiheitsdramen doppelt auszeichnete; denn Bulgakow
war kein Lyriker, sondern Erzähler und Dramatiker,
Benn hingegen Essayist und vor allem Lyriker.

Aus zeitgeschichtlicher Perspektive sind zudem die ästhetischen Formen
ihres vielfach unterdrückten Widerstands und damit auch ihre paradoxen
Einstellungen im Dienst der beiden totalitären Regime,
die sich im Weltkrieg vernichtend bekämpften,zu differenzieren.
Dennoch eignen sich die Lebensgeschichten Michail Bulgakows und Gottfried Benns
wegen besonderer Gemeinsamkeiten geradezu für eine Doppelbiographie:
Beide Autoren waren Söhne protestantischer Geistlicher, in ihren Ländern
früh bekannte und zeitweilig verkannte Dichter, dreimal verheiratet,
Ärzte für Haut- und Geschlechtskrankheiten, Schiffsärzte,
Militärärzte, leitende Ärzte, zeitweilig auch Drogenkonsumenten.
In den 1930er Jahren versuchten beide vergeblich, sich als Schriftsteller
und Leiter kultureller Institutionen mit dem diktatorischen Regime
ihres Landes zu arrangieren; sie wurden öffentlich attackiert und
diskriminiert, erhielten Schreibverbot wie viele Autoren,
die außer Landes gingen, emigrierten aber nicht.
Bulgakow erhielt keine Ausreisegenehmigung. Benn blieb.