Der Psychiater Ernst Augustin, geb. am 31.10.1927 in Hirschberg im Riesengebirge, studierte an der Humboldt-Universität Berlin und war von 1955-1958 Assistenzarzt an der Charité. Seit 1953 ist er mit der Malerin Inge Augustin, geb. Kalanke, verheiratet. Kurz vor dem Mauerbau verließ er die DDR. Nach einer Asienreise und dreijähriger Leitung eines amerikanischen Hospitals in Afghanistan war er an der Universitätsnervenklinik in München tätig. Dort lebt er seit 1962 als freier Schriftsteller.
Wie schon in seiner Dissertation über schizophrene Psychosen (1952) werden in einigen seiner Erzähltexte psychisch Kranke detailgenau und einfühlsam abgebildet, so in „Der Kopf“ (1962) und in „Raumlicht“: „Der Fall Evelyne B.“ (1976) oder auch in „Eastend“ (1982). Die Romanfiguren sind von dem „Grundgefühl gestaltloser Angst“ beherrscht.

Der
dritte Teil seines kafkaesk stilisierten Debutromans !Der Kopf! ist mit
„Der Turm“ betitelt, Die Fabel enthält ein architektonisch zweigeteiltes
Raummodell der Wirklichkeit, in der die gespaltene Person Türman/Asam
existiert:
Türmann lebte wirklich / er lebte zwischen Gastürmen und
Mietshäusern / und ging in einem Strom von Wirklichkeit spazieren / zu
Hause aber in seiner Kommode / hielt er sich einen Sandkasten mit
kleinen Gastürmen und / Mietshäusern / und in diesem Sandkasten / lebte
ein Mann namens Asam, […]


Ernst Augustin nahm an der Tagung der Gruppe 47 in Princeton (1966) teil und erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Kleist-Preis (1989) und den Mörike-Preis (2009). In seiner Kritik an der Medizin, vor allem der psychiatrischen Therapie, kombiniert er wie in allen seinen Schriften, phantasievoll fiktionale mit fachlichen und autobiographischen Elementen. Dieser subjektivierende Stil wird nur noch übertroffen von der teils sachlichen, teils satirischen Schilderung seines Kunstfehlerprozesses in dem Buch „Das Monster von Neuhausen. Ein Protokoll“ (2015): Der Autor ist seit der operativen Entfernung eines benignen Hirntumors mit iatrogener Sehnervenverletzung (2009) nahezu blind. Er entwirft dennoch nicht das Selbstporträt des kranken und leidenden Mediziners, das weder mit seiner gelassenen Lebenseinstellung, noch einem traditionellen Rollenklischee vereinbar wäre.
Ernst Augustin starb am 3.11. 2019 im Alter von 92 Jahren