Hans Joachim Schädlich erhält Erich-Loest-Preis
„Gegen die Anmaßung der Macht“
Hans Joachim Schädlich ist mit dem Erich-Loest-Preis 2019 ausgezeichnet worden.
Der Preis würdigt Autoren, die die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse in Deutschland nicht nur beschreiben, sondern mit ihrer Stimme den demokratischen Diskurs mitgestalten.
„Alle Repressalien, die er erdulden musste, hinderten Hans Joachim Schädlich nie daran, sich in seinen Werken, in der Auseinandersetzung mit historischen Figuren und Stoffen immer gegen die Anmaßung der Macht zu wenden“, würdigte Harald Langenfeld, Vorstand der Medienstiftung Leipzig, den Preisträger. Stimmen wie die von Schädlich seien notwendig: „Fremdenhass, Vertreibung und Flucht sind Themen, mit denen sich auch das Europa der Gegenwart auseinandersetzen muss. Daher brauchen wir umso mehr starke Stimmen, die Missstände aufdecken, die mutig für Freiheit, für Weltoffenheit, für Demokratie, für Humanität einstehen. Die dafür kämpfen – auch in Wort und Schrift.“
Die „Versuchte Nähe“ (H. J. Schädlich) –
„vergleichbar der phänomenologischen Annäherung an die Wirklichkeit
und Wahrheit – wird zum Projekt Literatur und Widerstand, wenn
der „subversive Strom in einem Text fließt“.
Hans Joachim Schädlich: Literatur und Widerstand. In: Der andere Blick. Reinbek b. Hamburg 2005, S. 11–15, zit. n. Ärzte, Dichter und Rebellen, Würzburg 2018, a.a.O., S. 18:
Individueller Widerstand ist offenbar konstitutiv für das komplexe Zusammenspiel von Medizin und Poesie. Aus diesem Grund werden nicht nur Texte zensiert, sondern oft auch deren Autoren und Autorinnen stigmatisiert: Die Pathologisierung der rebellierenden Außenseiter reicht vom späten 19. über das gesamte 20. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Und damit nicht genug: Sie werden politisch verfolgt, inhaftiert, aus dem Land gejagt, in den Tod getrieben oder exekutiert. Doch der Widerspruchsgeist, den man den Dichtern, vor allem aber den Rebellen und Revolutionären, ganz und gar austreiben wollte, erscheint heute überall in der Welt auf Theaterbühnen, Filmfestspielen und Buchmessen. Was ihre Texte performativ vermitteln: „Literatur und Widerstand“ (H.J. Schädlich 2005) heißt Widerstand Schreiben und „Literatur ist Widerstand“ (K. Müller-Salget 2005).
Das Ausspähen der Familie Schädlich in der DDR-Zeit hatte das Vertrauen der Betroffenen nicht nur verletzt, sondern erschüttert und
bei ihnen „tiefe Wunden gerissen,“ als sie sich des Verrats durch den Bruder K.H. (!) und der daraus resultierenden Gefahr bewusst geworden waren, aber letztlich an dem Projekt Widerstand nichts ändern können.
Im Gegenteil: Der offene, über die Grenzen reichende politische
Diskurs des denunzierten Schriftstellers trug im Verein mit ande-
en Widerstandsformen zur Irritation der Staatsmacht bei.
Den Preis hatte Schädlich vor allem in Würdigung für seinen Roman „Felix und Felka“ erhalten. Er habe versucht, die letzten Lebensjahre von Felix Nussbaum und Felka Platek literarisch darzustellen, sein Roman sei „ein Versuch, die beiden für mich – und vielleicht für andere – lebendig zu machen“, sagte Schädlich. Er verstehe die Entscheidung der Jury als „ein starkes Zeichen gegen Antisemitismus und antijüdische Hetze“. Er beobachte, wie der Antisemitismus 70 Jahre nach dem Holocaust in der deutschen Bevölkerung lauter werde und sich Fremdenfeindlichkeit ausbreite. In Anlehnung an Max Mannheimer erinnerte er die jüngeren Generationen an ihre Verantwortung, dafür zu sorgen, dass sich ein Völkermord wie der an den europäischen Juden nicht wiederholt.
